Kanal der Tiere

Heute segnet der Musikkanal Onyx das Zeitliche und macht Platz für den Natursender Terra Nova – mit 30.000 Stunden Programm aus dem Archiv

VON RENÉ MARTENS

„Wir haben zusammen zehn Kinder“, sagt Knut Föckler zwischen alkoholfreiem Cocktail und Rindercarpaccio. In der Steinzeit des Privatfernsehens war der Mann mal Programmdirektor bei Sat.1. Heute sitzt er in einem hippen französischen Restaurant am Elbufer in Hamburg. Eingeladen zum Lunch hat der neue Sender Terra Nova, den Föckler derzeit berät. Die anderen fortpflanzungsfreudigen Zeitgenossen – das sind Jean-François Klein, Geschäftsführer des neuen Kanals, sowie Claude Berda, Gründer des französischen TV-Konzerns AB Groupe, zu dessen Imperium Terra Nova gehört. Dass die Herren die Zwischenstände ihrer Familienplanung referieren, hat zu tun mit der Programmphilosophie der Senders, der heute an den Start geht. Bei Terra Nova identifiziere man sich nämlich durchaus mit dem alten Gassenhauer: „Wir haben die Welt nur von unseren Nachfahren geliehen“, sagt Föckler.

In der Tat finden sich im neuen Programm ökologisch korrekt anmutende Sendungen wie „Green Planet“, aber auch klassische Reiseformate („Insel-Paradiese“) und reichlich Tierfilme – ein Sendeplatz heißt „Tierwelten“, obwohl eine Sendung dieses Namens hierzulande bereits im NDR-Fernsehen zu sehen ist.

Terra Nova ist europaweit der erste frei empfängliche Spartenkanal für Naturfilme – thematisch Verwandtes bieten im Pay-TV hierzulande der Discovery Channel und dessen Tochter Animal Planet. Der Newcomer sendet auf den Frequenzen des Kleinst-Clipsenders Onyx, der alles versucht hat (Schlager, Schwarzkittelkram, Country, Alternatives) und nun seinen Beitrag zum Sterben des Musikfernsehens leistet.

Der AB Groupe, die mittelbar auch Onyx betrieb, gehören insgesamt 22 Spartenkanäle, überwiegend im französischen Pay-TV – darunter fünf, die thematisch mit Terra Nova verwandt sind, etwa Animaux und Chasse et Pêche. Diese Programme werden nun „für den deutschen Markt neu sortiert“, sagt Föckler. Deutsche Sender kannten die AB Groupe bisher als Zwischenhändler: Claude Berda und seine Leute verkaufen ZDF-Krimis („Derrick“, „Ein Fall für zwei“) an französische Sender und animierte Mangas an RTL 2.

Bei Terra Nova sollen auch Produktionen der BBC laufen, kündigt Föckler an, doch das ist schwer vorstellbar, denn der Big Player kooperiert ja ständig mit den ARD-Anstalten. Zudem kostet die Produktion eines hochwertigen Tierfilms ab 300.000 Euro aufwärts – Dimensionen, in die Terra Nova mit seinen zehn Mitarbeitern und einem Jahresbudget von zehn Millionen Euro nicht wird vorstoßen können.

Naturfilme zu produzieren, sei sündhaft teuer, gesteht Föckler, aber „der Rechtemarkt ist ein anderer“. Er findet auch „Zweitausstrahlungen in neuer Aggregation“ nicht verwerflich. Klingt ebenfalls nicht praxisnah, denn wenn etwa ein ARD-Sender die deutschen Rechte an einer BBC-Produktion kauft, sichert er sich die für vier, fünf Jahre – und wenn der Film wieder auf dem Markt ist, haben ihn alle potenziell Interessierten gesehen, weil er in vielen Dritten Programmen wiederholt worden ist.

Nun gut, die AB Groupe hat „30.000 Stunden Programm im Archiv“ (Jean-François Klein), und außerdem verweist der Geschäftsführer begeistert auf die Qualität des „Salon des refusés“, eine Programm-Messe, auf der von TV-Sendern abgelehnte Dokus zu sehen sind.

Terra Nova, schwärmt Klein, wolle diesen verkannten Regisseuren „ein Fenster“ bieten. So gesehen, macht der neue Sender eine Art tierisches Independent-TV – das ist, wenn auch bloß der knappen Kasse geschuldet, immerhin keine unoriginelle Positionierung.