: Studienort wird Wohnort
Im eigenen Interesse sollte Hamburg mehr Studienplätze schaffen, fordert Uni-Präsident Jürgen Lüthje. Keine Kritik an Hochschul-Leitlinien: Die Vielfalt der Geisteswissenschaften kann auch mit weniger Studierenden erhalten bleiben
Interview: KAIJA KUTTER
taz: Ihre Universität musste gerade 13.000 Bewerber abweisen. Nun sollen bis 2009 noch mal 15 Prozent der Plätze wegfallen. Ist das vertretbar?
Jürgen Lüthje: Es ist richtig, dass mit dem gegenwärtigen Haushaltsvolumen nur die Zahl an Studierenden erfolgreich ausgebildet werden kann, die die Politik jetzt anstrebt. Insofern ist es konsequent, die Zulassungszahlen herabzusetzen. Es müsste jedoch in der Politik ein Umdenken geben. Das Problem eines zu geringen Studienplatzangebotes ist weniger eines der Bewerber, die können woanders einen Studienplatz finden. Es ist ein Problem der Stadt Hamburg. Sie verbaut sich ihre Zukunft, wenn sie nicht genügend junge Menschen zum Studium nach Hamburg zieht.
Sie könnten später herziehen.
Warum sollten sie das tun? Die meisten Studierenden suchen und finden zunächst mal einen Arbeitsplatz in der Umgebung ihres Studienorts.
Der Platzabbau ist Teil der im Juni beschlossenen Leitentlinien zur Hochschulstruktur. Sind Sie mit denen zufrieden?
Die Leitlinien haben in wichtigen Punkten die Kritik der Universität an den Empfehlungen der Dohnanyi-Kommission berücksichtigt. Wir haben auf Grundlage der Empfehlungen unser Zukunftsprogramm „Exellenz und Vielfalt“ entwickelt. Die Punkte, an denen wir massive Kritik geübt haben, finden sich in den Leitlinien nicht mehr wieder. Es ist zum Beispiel die Vorstellung aufgegeben worden, den Übergang vom Bachelor zum Masterstudium durch Quoten zu regeln. Auch die Verlagerung von Mitteln und Studienplätzen zwischen verschiedenen Fächergruppen ist nicht festgeschrieben worden. Die Leitlinien beschränken sich gegenwärtig auf die Festlegung von Studienanfängerzahlen für Fächergruppen. Und auch die besonders problematische Empfehlung der Dohnanyi-Kommission, das Fächerspektrum in den Geistes-, Sprach- und Kulturwissenschaften um die Hälfte zu reduzieren, findet sich in den Leitlinien nicht mehr.
Aber es bleibt die Vorgabe, genau dort Plätze zu reduzieren?
Es findet sich die Vorgabe, die Studienanfänger zu reduzieren. Diese Reduktionen gehen in einigen Fällen zu weit. Diese Kritik hat die Universität geäußert. Aber sie führen nicht zwingend zu einer Verringerung der Personalkapazität in den Fächergruppen. Denn die Herabsetzung der Studienanfängerzahlen soll der Verbesserung der Studienbedingungen dienen. Das bedeutet, die Zahl der ausfinanzierten Stellen muss in diesen Fächergruppen voll erhalten bleiben.
Nicht nur düstere Perspektiven aus Ihrer Sicht. Im Herbst läuft Ihre zweite Amtszeit aus. Werden Sie für eine dritte kandidieren?
Von dem, was ich mir hochschulpolitisch vorgenommen habe, konnte ich vieles erreichen. Es gibt aber Ziele, die noch nicht ganz verwirklicht sind. Die volle rechtliche Autonomie der Universität zum Beispiel, die Übertragung der Personalhoheit und des Eigentums an den Grundstücken und Gebäuden der Universität. Dies müssen wir erreichen, um uns im Wettbewerb mit den besten Universitäten international behaupten zu können. Ich hoffe, dass auch der zukünftige Hochschulrat für diese Ziele eintreten wird.
Wann wird der Hochschulrat gewählt?
Ich rechne damit, dass die Universität bis zum Jahresende ihre Mitglieder benennen kann.
Ab 2004 soll es Gebühren für Langzeitstudierende geben. Was tun Sie, um diesen Studierenden zu helfen?
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist ein Beratungsgespräch für die Studierenden, um mit ihnen klar zu vereinbaren, wie Sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums das Studium erfolgreich abschließen können. Es gibt eine sehr begrenzte Zahl von Abschlussstipendien. Diese Möglichkeiten reichen gegenwärtig nicht aus. Ich werde versuchen, mit Hamburger Finanzinstituten und Stiftungen Gespräche darüber zu führen, wie weit sie bereit sind, den erfolgreichen Abschluss des Studiums zu fördern.
Möglich ist auch eine Zwangsexmatrikulation nach doppelter Regelstudienzeit. Macht die Uni davon Gebrauch?
Die Universität wird in jedem Einzelfall eine Ermessensentscheidung treffen.