nebensachen aus brandenburg (teil 12) : Bomben und Boote: Ostprignitz-Ruppin
Und hier das zweite Portiönchen aus Brandenburg: Ostprignitz-Ruppin.
Die Geschichte des nördlichen Landkreises, den die Autobahn Berlin–Hamburg/Rostock quasi in der Mitte durchschneidet, ist untrennbar mit der Geschichte des Widerstandes verbunden – gegen das so genannte Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide. Auf dem rund 12.000 Hektar großen Areal will die Bundeswehr Tiefflüge sowie das Luft-Boden-Schießen üben, seit 1992 tobt nun schon der Streit darum.
Verständlicherweise haben alle – Anwohner, Touristenmanager und Bauern – etwas gegen den Truppenübungsplatz: Das Gefliege und Geballere macht schließlich Krach, und Arbeitsplätze bringt es auch kaum. Stattdessen vertreibt es zahlungskräftige Touristen, Tagungsteilnehmer und Golfspieler, die die nordbrandenburgische Ruhe mit ihren Seen und Wäldern genießen wollen. Auch die Landesregierungen in Potsdam und Schwerin lehnen das Bombodrom mittlerweile ab, das Bundesverteidigungsministerium hält aber an den Plänen fest. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) begründet die Notwendigkeit mit der in der Nato-Eingreiftruppe übernommenen Verantwortung der Bundeswehr. Anders ausgedrückt: Der Krieg im Kosovo und das Bombodrom bei Wittstock sind zwei Seiten derselben Medaille.
Zumindest in Nordbrandenburg wollen sich die Prignitzer und Ruppiner damit nicht abfinden. Um die 90 Demonstrationen gegen das Bombodrom haben sie mittlerweile organisiert, auch so manchen Erfolg vor Gericht erstritten. Erst am vergangenen Sonntag gingen im beschaulichen Rheinsberg rund 1.000 Menschen auf die Straße, um gegen das Bombodrom zu demonstrieren. Zu DDR-Zeiten, als das Areal jahrzehntelang militärisch genutzt wurde, wäre das undenkbar gewesen. Lärmbelästigungen wegen Tieffliegerei, die hatten die Bürger hinzunehmen. Wenigstens die Autobahnen waren dafür nicht so laut wie heute.
Statt mit Bomben will sich Rheinsberg aber eigentlich mit den schönen Dingen beschäftigen: wandern und Boot fahren, schmökern und lieben. Für Letzteres hat Kurt Tucholsky eine unvergessliche Vorlage geliefert. 1911 verbrachte der junge Tucholsky hier ein kuscheliges Wochenende mit seiner Freundin Else Weil. Ein Jahr später erschien seine Erzählung „Rheinsberg. Ein Lesebuch für Verliebte“. Drei Jahre später begann Deutschland den Ersten Weltkrieg. Der brachte Tucholsky zu einer Erkenntnis, die die Pazifisten unter den Bombodrom-Gegnern teilen dürften: „Soldaten sind Mörder.“ RICHARD ROTHER
Morgen: Oberhavel