in fußballland
: Buckleys Fluch

CHRISTOPH BIERMANN über ein geschenktes VfL-Trikot und warum er es beinahe rituell verbrannt hätte

Christoph Biermann, 43, liebt Fußball und schreibt darüber.

Eigentlich müsste so langsam mal das Trikot der Orlando Piraten in der Post sein, das, obwohl der Klub bekanntlich im südafrikanischen Johannesburg zu Hause ist, inzwischen hoffentlich in Irland losgeschickt worden ist. Weshalb man bereits ahnen kann, dass es hier um eine reichlich komplizierte, einerseits weltumspannende, leider jedoch auch beinumwickelte Geschichte geht, die am zweiten Adventswochenende des letzten Jahres in Freiburg ihren Anfang nahm.

Damals trat der VfL Bochum im Dreisamstadion zu einem Bundesligaspiel an, das sich schnell zu einer verblüffend hysterischen Angelegenheit entwickelte. Fünf Tore waren nach nicht einmal 25 Minuten gefallen, der SC Freiburg führte 3:2, und anschließend wogte das Spiel aufgeregt hin und her, bis sich Peter Neururer elf Minuten vor Schluss dazu durchrang, Delron Buckley einzuwechseln. Der südafrikanische Stürmer spielte zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren für den VfL und hatte sich zu einer lebenden Wundertüte entwickelt. Nie wusste man, ob er in genialer Manier den Siegtreffer erzielen, oder ob er doch nur wieder bis zum Abpfiff nicht mitbekommen würde, dass die Partie schon lief. Dieser Buckley also sollte es richten, und kaum hatte er den Platz betreten, da machte sich auch schon sein Gegenspieler auf den Weg. Buckley schaute ihm interessiert hinterher, wünschte wohl auch alles Gute, jedenfalls flankte sein Mann ohne Bedrängung und bereitete so das entscheidende vierte Tor für Freiburg vor.

Ich fluchte, aber weil der Sieg Freiburg entscheidenden Abstand zur Abstiegszone verschaffte, waren wenigstens meine Freunde glücklich. Ich versuchte, die Niederlage mit einem ungefährdeten Auswärtssieg beim Wettessen in Freiburgs gefürchtetster Schnitzelhölle wettzumachen, und dabei so wie noch ein paar Bieren wäre es wohl auch geblieben, wäre Thomas Gottschalk nicht in der Stadt gewesen. Es klingelte im weiteren Verlauf des Abends nämlich das Telefon meines Freundes Uli und wir wurden eingeladen, noch einmal ins Stadion zurückzukehren, wo sich bereits etliche tausend Zuschauer eingefunden hatten, weil sie zum Finale von „Wetten, dass …“ weihnachtlich verkleidet in der Fankurve unter Leitung des Freiburger Torwarts Golz singen wollten. In Erwartung dieses schönen Höhepunktes hatten sich einige Sponsoren und Offizielle des Klubs in den VIP-Räumlichkeiten des Stadions versammelt und feierten zugleich den Sieg vom Nachmittag.

Besonders guter Dinge war Manager Andreas Bornemann, der uns eingeladen hatte. Im Erfolg mitfühlend und äußerst gastfreundlich, wollte er mich sogar mit einem Geschenk trösten, dabei hatten wir zuvor nur einige Male miteinander gesprochen. Bornemann hatte seinen Zeugwart angewiesen, aus dem Berg der nach dem Spiel getauschten Trikots eines der Bochumer herauszugreifen, und überreichte es mir frisch gewaschen. Eine außergewöhnlich nette Geste war das, und ich wollte mich schon überschwänglich bedanken, als ich den Namen auf dem Rücken las: BUCKLEY. Ich erstarrte! Klar, der Zeugwart hatte einfach in den Haufen Bochumer Trikots gegriffen. Aber die Szene vom Nachmittag war wieder wach gerufen und damit mein Ärger. Selten habe ich mich schlechter bedankt und hoffe bis heute, dass diese Unfreundlichkeit angesichts der guten Stimmung nicht weiter aufgefallen ist.

Mein Buckley-Trikot trug ich fortan gelegentlich beim Freizeit-Kick, allerdings zunehmend widerwillig, denn meine Leistungen darin waren noch schlechter als sowieso schon. Dennoch wollte ich dem Trikot an jenem Tag im Frühsommer noch eine Chance geben, an dem ich zwei Minuten vor Spielende schreiend zusammenbrach. Beim Versuch, einen letzten Ball noch zu erlaufen, hatte ich meinen Muskel überspannt; manche Faser in der linken Wade riss, und zwei Wochen lang ging ich anschließend auf Krücken. Als Kollateralschaden stellte sich anschließend eine Thrombose ein, sodass ich während der EM Portugal im Stützstrumpf bereiste und mich täglich spritzen musste.

Das Schicksal des verdammten Buckley-Trikots war damit beschlossen: Nach der Rückkehr würde ich es rituell verbrennen. Davon erzählte ich auch meinem Kollegen Peter, der inzwischen in Irland lebt. Denn Peter stammt aus Südafrika und weiß nicht nur, wer Buckley ist, er war sogar dereinst in dessen Transfer nach Bochum verwickelt. Im Laufe der Jahre war der Kontakt zwischen Buckley und ihm zwar abgerissen, aber sein Trikot wollte er trotzdem gerne haben, im Gegenzug würde er mir eines der Orlando Pirates zusenden. Also schickte ich ihm bald nach der EM das Päckchen, und wenn das Trikot des Teams aus Soweto endlich bei mir angekommen ist, wird der Bann gebrochen sein und ich werde endlich wieder Fußball spielen können.