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Archiv-Artikel

Alles andere als Aldi

Moderne Architektur = Kiste – das war einmal. Der Ersatzbau für das abgebrannte „Haus im Park“ beweist, was man aus einem schlichten Quader von 30 x 23 x 7 Metern alles machen kann

Missstimmung hatte es im Vorfeld gegeben. Als Architekt Ulf Sommer sein Modell für das geplante neue „Haus im Park“ auspackte, fühlten sich einige an den schlichten Charme einer Aldi-Filiale erinnert: Was für ein Rückschritt, wo doch der 2001 abgebrannte Vorgängerbau ein solch schmuckes Jugendstilstück war!

Zum Glück, muss man heute sagen, hat sich nicht der Wunsch durchgesetzt, das alte Haus Stein für Stein zu rekonstruieren. Denn der soeben fertig gestellte Neubau belegt: zeitgenössische Architektur braucht sich nicht zu verstecken.

Ulf Sommer orientiert seinen Entwurf am Kanon der klassischen Moderne. Als so genannte Zweite Moderne wird sie längst wieder geschätzt, nicht nur in Fachkreisen. Moderne Architektur = Kiste – das war einmal. Heute weiß man: Es kommt darauf an, was man aus der Kiste macht.

Die Grundform des verputzten Baukörpers ist in der Tat nur ein schlichter Quader von 30 x 23 x 7 Metern. Sommer gelingt es jedoch, durch wenige flächenbündige, vor- oder rückspringende Elemente das Bauwerk außen wirkungsvoll zu gliedern und damit zugleich Hinweise auf die innere Nutzung zu geben.

Da sind zwei präzis konturierte Loggien in den Baukörper eingerückt. Die größere betont den Eingang und das Foyer, die kleinere definiert den Übergang vom Tagungsbereich zum Außenraum. Drei längliche Oberlichtkästen aus Opalglas beleben die Dachlinie. Zwei davon finden in vertikalen Fensterbändern auf der Fassade eine Fortsetzung. Die Brüstung einer Fluchttreppe setzt einen diagonalen Akzent im ansonsten rechtwinkligen Formenspiel.

Viel Mühe hat sich Sommer mit der Einbindung des Volumens in die historische Parklandschaft gegeben. Der Abstand zu den alten Eichen an den Schmalseiten ist so gewählt, dass sie wie ein Rahmen wirken. Besonders gelungen ist die Seite, die zur zentralen Rasenfläche weist.

Hier liegt der Veranstaltungssaal, das Herz des Hauses. Für die Besucher hat der Architekt mit Hilfe eines niedrigen, langgestrecktes Fensterbandes einen konzentrierten panoramatischen Blick in den Park inszeniert. Man kann Landschaft und Geschehen draußen während einer Veranstaltung als zweiten Schauplatz genießen – solange nicht die Vorhänge zugezogen sind. Aber auch der Gegenblick hat einen theatralen Effekt: Vom Park aus erscheint das Publikum hinter dem Fensterband wie auf einer Bühne.

Innen wird der Bau durch das Foyer und den Saal dominiert – beide sind zwei Geschoss hoch. Der Saal mit Empore kann unterschiedlichsten Anforderungen angepasst werden – von Theater- und Konzertveranstaltungen bis zu Tagungen. Der engere Tagungsbereich befindet sich unter der Empore und lässt sich durch Schiebewände so separieren, dass zwei Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden können.

Der Neubau ist größer und funktionaler als das alte Haus. Und mit der modernen Ästhetik beginnt man sich anzufreunden. Als Trost für die Nostalgiker sind zwei Türen aus dem Jugendstilhaus gerettet worden. Sie zieren jetzt die Künstlergarderoben.

Eberhard Syring