: Geschichte um das Beispiel Flick ergänzt
Aus aktuellem Anlass reaktiviert und ergänzt das Prenzlauer Berg Museum eine Ausstellung über Zwangsarbeiter
Keine Frage, vor zwei Jahren war die Ausstellung „Zwangsarbeit in Berlin 1938–1945“, die der Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen erarbeitete und in zwölf Bezirksmuseen ausstellte, ein verdienstvolles Unternehmen. Doch nun, wo die Ausstellung aus aktuellem Anlass um „Das Beispiel Flick“ ergänzt wieder in den Prenzlauer Berg zurückkehrt, lässt sich dies so einfach nicht mehr sagen. Die Umstände sind eben ganz andere.
Seit bekannt ist, dass Friedrich Christian Flick in Berlin mit seiner schwergewichtigen Sammlung zeitgenössischer Kunst einen glanzvollen Auftritt plant, steht die Frage nach einer Dokumentation der gar nicht glanzvollen Herkunft seines Vermögens auf der öffentlichen Agenda. Die freilich deckt sich nicht mit der der Staatlichen Museen, die die Einladung an Flick verantworten. Politik und Museum hintertrieben so weit wie möglich jeden Versuch einer solchen Debatte. Erstes Opfer dieses Versuchs, die Diskussion um Flick zu unterbinden, war der Verein Dokumentation Zwangsarbeit e.V. Stets wurde verhindert, dass er an Ausstellungsort und -mittel kommt. Auch die Regionalmuseen planten zunächst mit dem Verein, sagten die Zusammenarbeit aber kurzfristig ab. Angeblich wegen der regionalen Orientierung ihrer Schau. Doch weil die von der Politik sonst so gerne gelobte Bürgerbeteiligung erneut abschlägig beschieden wurde, wirkt die Ausstellung wenig glaubwürdig. Eher sieht es so aus, als ob die städtische Kulturbürokratie samt Almuth Nehring-Venus, PDS-Bezirksstadträtin für Kultur, Thomas Flierl, der ja nicht nur Kultursenator ist, sondern auch PDS-Mitglied, Geleitschutz gibt, damit er in der Öffentlichkeit und in der Partei einen Rest von Glaubwürdigkeit wahren kann. Sprach er sich doch immer für die Debatte aus – so lange, bis sein Regierender Bürgermeister ihm die Grenzen ihrer Zulässigkeit aufzeigte.
Die Bürger bleiben also draußen. Statt mitzuarbeiten werden sie mit sechs neuen Bild-Text-Tafeln bedacht. Darauf stellen die Historiker Helmut Bräutigam und Thomas Irmer das Geflecht des Flick-Konzerns dar – inklusive der arisierten Unternehmen. Zudem findet man dort eine knappe Darstellung des Nürnberger Folgeprozesses und der Entschädigungsfrage, Aussagen eines belgischen Zwangsarbeiters und Forschungsergebnisse zu den Flick’schen Firmen in Berlin, den Mitteldeutschen Stahl- und Walzwerken, Hennigsdorf, und der Spandauer Stahlindustrie GmbH. Auch einige Besonderheiten der Flick’schen Firmengeschichte während des Dritten Reichs kommen zur Sprache: das Wachstum des Konzerns übertraf das seiner Konkurrenten bei weitem, die Umstellung auf Rüstungsproduktion war radikaler als in anderen Fällen, die Zahl von 50 Prozent Zwangsarbeiter, die Flick ausbeutete, war überdurchschnittlich hoch, und schließlich spielte er bei der Arisierung eine besonders aktive Rolle. WBG
„Zwangsarbeit in Berlin 1938–1945 + Das Beispiel Flick“ bis 4. 11., Prenzlauer Berg Museum, Prenzlauer Allee 227