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Hatz muss weg!

Treibjagd auf die Jäger: Mit Verfahren, die eher für Notstandsgesetze zur Terroristenbekämpfung angemessen sind, setzt die britische Labour-Regierung ein Verbot der Fuchsjagd mit Hunden durch

VON DOMINIC JOHNSON

Das gab es im britischen Unterhaus seit über 350 Jahren nicht: Demonstranten dringen in den Sitzungssaal ein und stören die Debatte über das endgültige Verbot der Fuchsjagd, bevor sie von schwarz berockten Sicherheitskräften weggezerrt werden. Draußen vor der Tür regnet es gleichzeitig Schlagstöcke auf tausende Demonstranten, die sich mit dem Elgar-Evergreen „Land of Hope and Glory“ unter Rauchbomben und Protestgeschrei versammeln. Und hinterher entschuldigt ein blutüberströmter Demonstrant vor Journalisten seinen Gegner: Der Polizist, der ihn zusammenschlug, habe ja keine Wahl gehabt, das müsse man schon verstehen.

Ein typischer englischer Spätsommernachmittag? Die Emotionen, die die Kontroverse um die Fuchsjagd in Großbritannien schürt, sind außerhalb des Landes nur schwer verständlich zu machen. Kein politisches Thema außer dem Irakkrieg hat seit Labours Amtsantritt 1997 so viele Demonstranten auf die Straße gebracht: über 400.000 vor einigen Jahren. Und konnte Premierminister Tony Blair im Frühjahr 2003 sich noch leisten, den Widerstand in seiner Labour-Fraktion gegen den Irakkrieg mit allen Mitteln zu brechen, reicht ihm im Herbst 2004 die Drohung neuer parteiinterner Spannungen aus, um ein Verbot der Treibjagd auf Füchse mit Hunden in einem Verfahren durchzuziehen, das an Verfassungswidrigkeit grenzt. So werden unter anderem beide Lesungen des Gesetzes im Unterhaus formwidrig in der gleichen Sitzung durchgeführt. Wenn das Gesetz dann ins Oberhaus geht und dort voraussichtlich nach 30 Tagen abgelehnt wird, wird die Regierung es trotzdem durchboxen, kraft eines selten angewandten Vetoverfahrens, dessen Gültigkeit in diesem Fall umstritten ist.

Die Regierung Blair behandelt die Fuchsjagd so, als ginge es um Notstandsgesetze zur Terroristenbekämpfung, und so braucht sie sich nicht zu wundern, wenn die Jagdbefürworter sich so verhalten. Denn bei dem Verbot der Fuchsjagd geht es überhaupt nicht um Füchse. Die werden weiterhin gejagt – es ist nur verboten, sie von Jagdhunden zerfleischen zu lassen; man muss sie stattdessen erschießen oder vergiften. Nein: Es geht um die Treibjagd an sich, ein komplexes ländliches Wochenendvergnügen mit Hunden, Pferden, bunten Uniformen, Ritualen und Alkohol ohne materiell zu begründenden Sinn und mit vielen schwer zu durchschauenden Regeln, ein wenig wie Cricket, Oberhausdebatten, königliche Trauerfeiern, Dinner-Partys oder Militärparaden. Das sind alles Dinge, die das englische Establishment liebt und die dessen Gegner schon von jeher aus dem britischen Leben verbannt sehen wollen, weil sie alles Schnörkelige und Esoterische zugunsten von Rationalität und Sachlichkeit abschaffen wollen.

Neben diesem puritanischen Reflex der gesellschaftlichen Flurbereinigung, dessen Stimme in der britischen Politik New Labour ist, stellt das Fuchsjagdverbot zugleich ein Relikt des ursprünglichsten Labour-Instinkts dar: Klassenkampf von unten nach oben. So treffen sich im Treibjagdverbot New und Old Labour mit einer unwiderstehlichen Symbolik, und dagegen ist sogar Blair machtlos.

Kurios ist das schon, wie einige Kommentatoren richtigerweise bemerkt haben, denn Tony Blair ist ja ansonsten angetreten, die Klassenunterschiede in Großbritannien vollends zu überwinden. Nun sackt seine Partei im Namen der Modernisierung in alte Zeiten zurück. Dabei sind die Jagdprotestler mehrheitlich keine Adligen. Es sind junge Chaoten, ganz wie vor einigen Jahrzehnten die meisten der heutigen Labour-Führer. Einer der Anführer der Demonstranten im Unterhaus war der Sohn des Popstars Bryan Ferry.

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