: Zigaretten allein reichen nicht mehr
„The Good Thief“: In Neil Jordans Neuverfilmung eines Melville-Klassikers kämpft Bob mit schwereren Süchten
Spieler wie Bob gibt es, zumindest in der Filmwelt, nicht mehr: einen, der sein Leben fristet mit dem täglichen Risiko, der die Freiheiten seines Außenseitertums genießt und doch ohne Illusion ist über die Zwänge, die es mit sich bringt, dermaßen auf das Glück – im Spiel – angewiesen zu sein. Heute denkt man beim Betreten eines Kasinos hauptsächlich an die Gefahren der Spielsucht. Die Psychologie hat dem Existenzialismus den Garaus gemacht. Melvilles Original von 1955 führt seinen Helden und dessen Lebensweise im Titel „Bob le flambeur“, während Neil Jordans Remake uns gleich erzählt, wie es in ihm aussieht: Bob ist hier „The good thief“.
Es sind solche Aktualisierungen, die ein Remake interessant machen. Selbst wenn die Neugestaltung nicht gefällt, sagt sie noch immer viel über die Gegenwart aus. Melvilles Film schlägt eine ironische Volte am Ende, erzählt sonst aber einigermaßen geradlinig von der Planung eines Überfalls auf ein Kasino und dem, was alles gegen den Erfolg dieser Aktion arbeitet: Verrat, Gefühle, Frauen. Jordan behält diese Grundstruktur als Markierung bei und führt wie im Slalomlauf darum herum.
Anstelle einer Wendung gibt es hier immer mindestens gleich zwei. Beklaut werden soll nicht der Safe des Kasinos, sondern dessen Wandbehang, und nicht eigentlich die Bilder dort, sondern deren Originale im Haus daneben. So befindet man sich immer ein wenig auf der falschen Spur in diesem Film. Ein deutliches Zugeständnis an heutige Kinokonventionen, laut denen der Zuschauer am Ende bestenfalls so überrascht werden soll, dass er den ganzen Film noch mal ansehen muss, um zu verstehen, was vor sich ging.
Neben weiteren Zugeständnissen an den Zeitgeist, wie dem, dass der von Tcheky Karyo gespielte Polizist deutlich dümmer sein muss als die Diebe (was das Original nicht nötig hatte), fällt das andere Verhältnis zu Drogen auf: In „Bob le flambeur“ wird noch geraucht, was das Zeug hält. In fast jeder Szene legt der Tabakdunst Zeugnis von einer allgegenwärtigen unbestimmten Sehnsucht ab. Bei Jordan ist das Zigarettenrauchen nur coole Geste, ein Zitat. Bob, in den sich Nick Nolte mit der Wucht seiner abgewrackten Männlichkeit hineinwirft, hat mit schwereren Süchten zu kämpfen. Oder anders: Er kennt das Krankheitsbild seiner Persönlichkeit. Der gute Dieb, ein netter Kerl, kommentiert sich rücksichtsvollerweise selbst mit den entsprechenden psychotherapeutischen Begleitworten. Was seltsamerweise seine Coolness nicht beschädigt.
Die Handlung hat Jordan von Paris/Deauville nach Nizza/Monte Carlo verlegt. Voll schwerer Farben zeigt der Film die Französische Riviera. Die Nachtklubs, in denen die Unterwelt kommuniziert, sind laute, schrille Orte, den üblichen Vorstellungen von Hölle viel näher als noch die Hinterzimmer und Cafés bei Melville. Als „alter junger Mann“ wurde Bob dort vorgestellt; bei Nolte und seinen Spießgesellen handelt es sich um lauter junge alte Männer – auch so ein interessanter Unterschied.
The „Good Thief“ sei kein „Neo-Noir“, sondern vielmehr Noir-Revisionismus, warf der Kritiker der New Yorker Village Voice Jordan vor. Er würde Melvilles proletarischen Nihilismus für den Massenkonsum abdichten und glätten. Tatsächlich steht der Spieler bei Melville zwischen Gut und Böse, zwischen Gewinn und Verlust wie der schmale Zeitgrat, an dem die entscheidenden Szenen des Films spielen: der Moment, an dem sich die Nacht vom Tag scheidet, die wenigen Minuten der Morgendämmerung. Was nicht nur ein moralisches, sondern auch ein dramaturgisches Risiko ist – das Jordan gar nicht erst eingeht. Mit einem doppelten – oder gar dreifachen? – guten Ende sichert er sich gegen solche Ambivalenzen ab.
BARBARA SCHWEIZERHOF
„The Good Thief“. Regie Neil Jordan. GB/Kanada/Frankreich 2002, 108 Min. Mit Nick Nolte, Tcheky Karyo u. a.