Neuer Anlauf für Weltwährungssystem

Bereits unter Finanzminister Lafontaine hatte sich Heiner Flassbeck für ein globales Wechselkurssystem stark gemacht. Als Chefökonom der UN-Organisation für Handel und Entwicklung versucht er es nochmal und warnt vor einer Weltwirtschaftskrise

VON NICOLAI FICHTNER

Die Forderung nach stabilen Wechselkursen findet den Weg zurück auf die Tagesordnung der internationalen Politik. Die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad) warnt in ihrem gestern vorgestellten Jahresbericht vor einer Spirale der Währungsabwertungen, die zu einer neuen Weltwirtschaftskrise führen könnte. Als Lösung schlägt sie eine globale Koordinierung der Wechselkurse vor.

Hauptverfechter dieser Forderung ist ein alter Bekannter: Heiner Flassbeck verantwortet als Chefökonom der Unctad dieses Jahr erstmals den „Handels- und Entwicklungsreport“. Vor knapp sechs Jahren sorgte er als Staatssekretär unter dem damaligen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) mit einer ähnlichen Initiative für Aufsehen. Doch seine Idee, die Kurse von Euro, Dollar und Yen nur innerhalb einer festgelegten Zielzone schwanken zu lassen, wurde damals schon im Keim erstickt – auch durch den Widerstand der USA und der Bundesbank.

Möglicherweise hat die Initiative unter dem Dach der Unctad mehr Erfolg. Denn sie stützt sich auf eine alarmierende Diagnose des gegenwärtigen Währungssystems. Demnach setzen immer mehr Länder auf die Schwächung ihrer jeweiligen Landeswährung. Vor allem die ostasiatischen Schwellenländer versuchen so, ihre Produkte im internationalen Exportwettbewerb billiger zu machen. Um den Wechselkurs niedrig zu halten, müssen die Notenbanken dieser Länder ausländische Anlagen kaufen.

Momentan ist der US-Dollar die bevorzugte Währung für solche Kapitalanlagen. Damit finanzieren die asiatischen Notenbanken einerseits einen großen Teil des Kapitalbedarfs der USA, das auf dem wachsenden Defizit in der US-Handelsbilanz beruht. Andererseits provozieren sie eine Überbewertung des Dollars, die den Export von Produkten aus den USA noch schwerer macht.

Kein Wunder also, dass die US-Regierung den Druck auf China verstärkt, seine Landeswährung Yuan aufzuwerten. China hat seine Währung fest an den Dollar gebunden. Doch wenn das US-Defizit weiterwächst, gerät auch der Dollar unter Druck. Und dann – so prognostiziert die Unctad – könnten die ostasiatischen Notenbanken auf Euro-Anlagen umsteigen. Ein dauerhaft überbewerteter Euro wäre die Folge – mit fatalen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in Euroland.

Als Lösung schlägt der Unctad-Bericht ein multilaterales System zur Regulierung der Wechselkurse vor. Ähnlich wie in der Welthandelsorganisation (WTO) könnten dann Wechselkurse festgelegt und Auf- und Abwertungen ausgehandelt werden, erklärte Flassbeck im Gespräch mit der taz. „Wechselkurse haben schließlich größere Auswirkungen auf den Welthandel, als die WTO jemals hatte“, so Flassbeck weiter.

Ob die WTO oder der Internationale Währungsfonds (IWF) für diese Aufgabe geeignet wären, erscheint ihm jedoch fraglich. „Die WTO ist blind für Probleme, die auf Wechselkursschwankungen basieren.“ Der IWF wiederum berücksichtige nur enge währungs- und finanzpolitische Zusammenhänge.

Die Forderung der Unctad gewinnt vor dem Hintergrund eines stetig wachsenden Welthandels an Bedeutung. Nach einer ebenfalls gestern vorgestellten WTO-Prognose wird 2004 der internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen um 7,5 Prozent zunehmen. Im Jahr 2003 hatte der Welthandel Schwung bekommen und war mit einer Rate von 4,5 Prozent gewachsen. Der Wert der weltweiten Warenexporte betrug im vergangenen Jahr 7,3 Billionen US-Dollar. Der Wert der exportierten Dienstleistungen erreichte einen Wert von 1,8 Billionen Dollar.