: Jenseits des Klezmer-Hypes
Mit den russisch-jüdischen Einwanderern ist auch Jiddisch nach Berlin zurückgekehrt. Wie lebendig diese archaisch und wehmütig klingende Sprache ist, wollen die 17. Jüdischen Kulturtage zeigen, die am 15. November beginnen
„Die meisten Leute kennen nur Klezmer und den jiddischen Witz“, sagt Moishe Waks, Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde und Organisator der Kulturtage, die in diesem Jahr Musik, Filme und Literatur von KünstlerInnen präsentieren, die mit der jiddischen Sprache arbeiten. „Wir wollen nicht mit einem jiddischen Disneyland Klischees bedienen“, meint auch Peggy Lukac aus dem Planungsteam.
Mehr als 200.000 US-Amerikaner sprechen Jiddisch. Die orthodoxen Juden aus der ehemaligen Sowjetunion haben die jiddische Sprache nach Deutschland zurückgebracht. Sonst wird sie hier kaum gesprochen.
Mit dem Klezmer-Hype der letzten Jahre ist sie zu einer Kultursprache geworden, die archaisch klingt und wehmütig.
Mit der „jiddischen Gass“ schauen Besucher der Jüdischen Kulturwochen daher zunächst vor allem in die Vergangenheit: Historisch war die „Gass“ das Quartier, in dem Juden wohnten und arbeiteten. Berlin-Mitte war so ein Ort. Zwischen Brunnen- und Invalidenstraße laden die Veranstalter an Stellen ein, die ihre Bestimmung seit dem Holocaust verloren haben: die Synagoge Beth-Zion, die früheren Volkstheater nahe dem „Jüdischen Ku’damm“ zwischen Schönhauser Allee und Alex. Viele der Gebäude stehen nicht mehr. Eine Bustour zu den Standorten der jüdischen Bühnen soll helfen, die vergangene Welt zu rekonstruieren.
Dass Jiddisch auch eine lebendige Sprache ist, die nicht nur „in der Inszenierung ihrer selbst stattfindet“, zeigt Lukac mit einer Kurzfilmreihe. Junge Filmemacher aus Israel, Osteuropa und Deutschland waren eingeladen, „wie auch immer jiddische“ Filme zu produzieren. Zehn von ihnen werden zu sehen sein, die drei besten sollen prämiert werden.
Für Kinder gibt es jiddische Literatur im Jüdischen Museum. New Yorker Magazinmacher rappen in der Villa Elisabeth – natürlich auf Jiddisch. Im Literaturhaus lesen jiddische Autoren. 48 Programmpunkte sollen etwa 10.000 Besucher anlocken. Auch mit so erwartbar erfolgreichen Veranstaltungen wie einem „non-verbal jiddischen“ Abend mit dem famosen Mimen Samy Molcho und Kochstudios, in denen die Besucher „gefilten Fisch“ selbst zubereiten können – angeleitet von einem sichtbar gaumenfreudigen Moishe Waks. Und eine „Lange Nacht des Klezmer“ muss es schließlich doch geben. Ganz ohne Klischee geht es eben auch nicht.
Eine andere „Lange Nacht“ gibt es im November zum zweiten Mal – die der Synagogen. Sie soll Nichtjuden „eine Gelegenheit bieten, ohne Scheu in eine Synagoge zu gehen und etwas über den jüdischen Ritus zu erfahren“, erklärt Moishe Waks.
GRIT EGGERICHS