: Leere UN-Drohungen gegenüber Sudan
UN-Sicherheitsrat fordert erneut Ende der Gewalt in Sudans Krisenregion Darfur. US-Resolutionsentwurf wurde abgeschwächt, damit China kein Veto einlegt. Jetzt sind Sanktionen erst einmal vom Tisch. UNO prüft nun aber Begriff des Völkermordes
VON DOMINIC JOHNSON
Der UN-Sicherheitsrat hat der Regierung des Sudan erneut „Maßnahmen“ angedroht, sollte sie die Gewalt regierungstreuer Milizen gegen die Zivilbevölkerung der Region Darfur nicht beenden. Die am Samstag ohne Gegenstimmen, aber mit vier Enthaltungen angenommene Resolution 1564 bekräftigt die entsprechenden Forderungen der letzten Darfur-Resolution 1556 vom 30. Juli und stellt fest, dass Sudans Regierung diese Verpflichtungen nicht „völlig“ umgesetzt hat. Sie unterstützt die Stationierung einer vergrößerten Beobachtermission der Afrikanischen Union (AU). Sudans Regierung soll Milizionäre nicht nur entwaffnen oder verhaften, sondern der AU-Mission auch die Namen entwaffneter oder verhafteter Milizionäre mitteilen.
Sollte Sudans Regierung diese und die letzte Darfur-Resolution nicht „völlig“ umsetzen, wird der Rat „die Ergreifung zusätzlicher Maßnahmen erwägen … zum Beispiel Aktionen mit Auswirkungen auf Sudans Ölsektor“. Anders als am 30. Juli, als dafür eine Frist von 30 Tagen gesetzt wurde, gibt es diesmal kein Ultimatum, sondern UN-Generalsekretär Kofi Annan soll dem Sicherheitsrat monatlich Bericht erstatten.
Die unmittelbare Drohung mit Sanktionen, die die USA ursprünglich anstrebten, ist damit zunächst vom Tisch. Dies ist vor allem auf Druck Chinas zurückzuführen, des größten Investors in Sudans Ölindustrie. Wegen der Gefahr eines chinesischen Vetos schrieben die US-Vertreter den Resolutionsentwurf zweimal um, bevor sie ihn zur Abstimmung brachten.
Zwischen der ersten und der verabschiedeten Fassung verschwanden aus der Resolution ein Flugverbot über Darfur, die Stationierung von AU-Beobachtern an sudanesischen Flughäfen sowie die Drohung, dass der Rat bei Nichteinhaltung seiner Forderungen „zusätzliche Maßnahmen ergreifen wird“. Am Schluss enthielten sich China und Russland trotzdem der Stimme, ebenso Algerien und Pakistan. Sudans Regierung verurteilte die Resolution dennoch und sagte, sie sei nur verabschiedet worden, um dem US-Kongress zu gefallen. Dabei hatten sich die USA zurückgehalten. Hatte die US-Regierung zuvor die Vorkommnisse in Darfur als „Völkermord“ charakterisiert, sprach der UN-Botschafter der US-Regierung, John Danforth, jetzt nur noch davon, dass Sudans Regierung „möglicherweise Völkermord billigt“.
Die Regierung des Sudan und mit ihr viele arabische Regierungen sehen den Gebrauch des Begriffs „Völkermord“ nicht als Versuch einer Tatsachenbeschreibung an, sondern einzig als Rechtfertigung einer möglichen Militärintervention. Das UN-Generalsekretariat wird in der neuen Resolution aufgefordert, die Angebrachtheit des Begriffes von einer Untersuchungskommission klären zu lassen.
Der anlässlich des 10. Jahrestages des Genozids in Ruanda im April eingesetzte UN-Sonderberater zur Völkermordprävention, Juan Mendez, bekommt dann erstmals Arbeit. Gemeinsam mit UN-Menschenrechtshochkommissarin Louise Arbour soll er in Darfur die Lage prüfen – für Annan historisch. „Dies ist das erste Mal in der Geschichte des Sicherheitsrats, dass er jemals unter Artikel 8 der Völkermordkonvention angerufen worden ist“, sagte er am Donnerstag. Laut Artikel 8 der Völkermordkonvention von 1948 kann eine vertragsschließende Partei die UNO beauftragen, Maßnahmen gegen einen Völkermord zu ergreifen.
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