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Archiv-Artikel

Rüttgers fordert klaren CDU-Kurs

Nach der CDU-Pleite bei den Landtagswahlen im Osten fordert NRW-Parteichef Jürgen Rüttgers Klärung des Reformstreits in der Union bis zum Jahresende. Politologe: „Rüttgers muss Profil zeigen“

VON MARTIN TEIGELER

Eine Woche vor der NRW-Kommunalwahl hat CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers die Bundesvorsitzende Angela Merkel zum Handeln aufgefordert. „Das wichtigste ist, dass die CDU klar sagt, wofür sie steht, und das geschlossen vertritt“, sagte Rüttgers nach der schweren CDU-Wahlniederlage bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Der stellvertretende CDU-Bundeschef forderte ein Ende des parteiinternen Streits um die Sozial- und Arbeitsmarktreformen: „Wir wollen das bis Weihnachten fertig haben.“

Seit Wochen schwelt in der Union ein Konflikt zwischen Rüttgers und Merkel um die Ausrichtung der Partei. Der Spiegel berichtete gestern über einen Machtkampf zwischen den beiden. Ministerpräsidenten-Kandidat Rüttgers möchte sich in den verbleibenden Monaten bis zur NRW-Landtagswahl im Mai 2005 als „mitfühlender Konservativer“ auch gegen die eigene Partei profilieren. Bei sozialpolitischen Themen wie Hartz IV oder der Kopfpauschale in der Krankenversicherung will Rüttgers die Vorsitzende angeblich auf seine Linie zwingen. „Meine Position ist Mainstream in der CDU“, zitiert das Nachrichtenmagazin Rüttgers‘ Kampfansage an Merkel. Rüttgers will Hartz IV nicht kippen, aber einer „Generalrevision“ unterziehen.

Die CDU-NRW müsse spätestens seit den Ost-Wahlen am Sonntag zur Kenntnis nehmen, dass Wahlerfolge kein „automatischer Trend“ mehr seien, sagt der Bochumer Politikwissenschaftler Uwe Andersen. Bei den NRW-Kommunalwahlen am Sonntag seien Verluste der CDU wahrscheinlich. „Trotzdem wird die CDU wohl stärkste Kraft im Land bleiben, weil die SPD weiter auf schwachem Niveau verharrt“, so Andersen zur taz. In den nächsten Monaten müsse es Ziel des CDU-Landesvorsitzenden Rüttgers sein, „eigene Konturen“ deutlich zu machen, um nicht als „Ja-Sager“ dazustehen. „Rüttgers muss prinzipiell zum Reformkurs stehen, gleichzeitig aber ähnlich wie der saarländische CDU-Ministerpräsident Müller eigenes Profil zeigen“, sagt Andersen.

Der Riss zwischen Reformfans und Skeptikern geht auch durch die Jugendorganisationen der CDU. Philipp Mißfelder, aus NRW kommender Bundeschef der Jungen Union, gilt nicht als Befürworter der Rüttgers-Strategie: „Ich warne davor, in das Vakuum der alten SPD vorzurücken und mit dem Thema soziale Gerechtigkeit in den Wahlkampf zu ziehen.“ Die Union dürfe „nicht opportunistisch“ Politik machen. Dennis Radtke, NRW-Chef der jungen CDU-Arbeitnehmer, stützt dagegen den Kurs des Landesvorsitzenden: „Wir brauchen in der CDU mehr Jürgen Rüttgers und Hejo Arentz, und weniger Philipp Mißfelder und Friedrich Merz.“ Die CDU-Wahlniederlagen im Osten seien ein „Weckruf zur richtigen Zeit“.

Während viele in der Union einen Dämpfer am kommenden Wahlsonntag bereits abgehakt haben, verspricht die programmatische Debatte in den nächsten Monaten Spannung. Schon spekulieren Mitglieder der CDU-Landesführung über einen Showdown zwischen Merkel und Rüttgers beim Düsseldorfer Bundesparteitag im Dezember: „Das wäre die letzte Ausfahrt, um eine Kanzlerkandidatin Merkel noch zu verhindern.“