: „Grüne Agenda nichts für die Ostdeutschen“
FU-Parteienforscher Oskar Niedermayer macht die fehlende Verankerung für die grüne Wahlschlappe in Brandenburg verantwortlich. Grüne selbst geben Platzeck und der Hartz-IV-Debatte die Schuld für das Ergebnis von nur 3,6 Prozent
Platzeck und Hartz IV. Sie haben den brandenburgischen Grünen den Einzug in den Landtag verbaut. So erklären sich jedenfalls die Grünen selbst ihre Wahlniederlage. „Unsere landespolitischen Themen sind im Stimmungswahlkampf um den Ministerpräsidenten in den Hintergrund getreten“, sagt Landeschef Joachim Gessinger. Hartz IV sei das dominierende Thema gewesen. Wähler, die sonst eher grün wählten, hätten zudem aus Angst vor einer PDS-geführten Landesregierung lieber Platzeck ihre Stimme gegeben.
Erste Wahlanalysen zeichnen aber ein anderes Bild: Demnach haben die Grünen – die sich zwar gegenüber 1999 von 1,9 auf 3,6 Prozent verbesserten, aber 7 Prozent angestrebt hatten – der SPD rund 3.000 und sogar der PDS rund 1.000 Stimmen abnehmen können. Man habe aber mit mehr gerechnet, sagt Wahlkampfchefin Marie Luise von Halem. Sie stützt sich dabei auf Umfragen, die ihrer Partei zuletzt bei 5 bis 5 Prozent sahen. Wahlprognosen seien aber eben nur Schätzungen.
„Mir ist das Ergebnis jetzt erklärbarer, als es die Umfragewerte im Vorfeld waren“, sagt Oskar Niedermayer. Der Parteienforscher der Freien Universität Berlin hält zwar grundsätzlich einen „Last-Minute-Swing“ von Grünen-SympathisantInnen zur SPD für möglich, zweifelt aber am grünen Wählerpotenzial im Osten. Der Partei fehle es „in der Fläche an grüner Basis“, begründet er seine Skepsis gegenüber den Umfragewerten. Zudem sei die grüne Agenda „nichts für die Ostdeutschen“, so Niedermayer. Tatsächlich verlieren die Grünen an Zustimmung, je weiter es von Berlin weg geht. Das zeigen die vorläufigen Ergebnisse aus den Landkreisen. Im Wahlkreis Spree-Neiße beispielsweise, nahe der sächsischen Grenze, liegen sie gerade mal bei 1,9 Prozent. „Wir sind eher eine Metropolen-Partei“, gibt Landeschef Gessinger zu. Die Wahlkampfstrategie, auf einen prominenten West-Import wie den Kreuzberger Wolfgang Wieland zu setzen, hält er dennoch für richtig.
Sibyll Klotz, die aus Ostberlin stammende Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, sieht das etwas anders. Sie will die Taktik, sich von den Kernen zu den Randgebieten vorzuarbeiten, noch einmal überdenken. „Wir müssen die Situation der Grünen im Osten einmal gründlich analysieren“, sagte Klotz der taz. Zugleich kritisierte sie die Bundes-Grünen. Diese schauten sich „das Experiment Ost immer mit einem gewissen Abstand an“.
Analyse scheint tatsächlich nötig. Denn urgrüne Themen gehen offenbar an der ostdeutschen Lebensrealität vorbei. Nicht Sonnenenergie, nicht die Law-and-Order-Politik von CDU-Innenminister Schönbohm, nicht einmal die Bildung entschieden die Wahl. Das alles dominierende Thema war Hartz IV. „Klar hat uns Hartz IV Stimmen gekostet“, sagt Klotz.
So zahlen Brandenburgs Grüne nun den Preis dafür, dass ihre Parteifreunde in der Bundesregierung „Ja“ zum Reformgesetz sagten. Und auch wer Hartz nicht grundlegend ablehnte, aber eine gemilderte Variante wollte, brauchte die Grünen nicht. Denn dafür gab es ja wieder Platzeck. INES KURSCHAT
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