: Debakel am Abend
ARD und ZDF reagierten vollkommen unvorbereitet auf den Wahlerfolg der NPD – und boten ein desaströses Bild
Wahrscheinlich fühlten sich die Moderatoren und Moderatorinnen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten am Sonntagabend als antifaschistische Helden. Mit angewiderter Miene und zitternder Stimme hielten sie dem siegreichen Spitzenkandidaten der sächsischen NPD, Holger Apfel, das Mikrofon hin; gaben ihm keine Chance, selbst belanglose Sätze zu Ende zu formulieren; zeigten mit der ganzen Kraft ihrer Körpersprache, dass sie ihm am liebsten das Mikrofon über den Schädel hauen oder doch zumindest den Mund damit stopfen wollten.
Ergriff Apfel das Wort, verließen die anderen Parteienvertreter die Stehtische, flüchtete das technische Personal aus dem Studio. ARD, ZDF, RBB und MDR haben der Demokratie in der Wahlnacht einen schlechten Dienst erwiesen. Mit welchem Recht glaubten die Verantwortlichen, die gewählten Vertreter der DVU und NPD von den meisten Parteienrunden ausschließen zu dürfen? Mit welchem Recht behandelten sie deren Vertreter wie Aussätzige, für die elementarste Formen des zwischenmenschlichen Umgangs offensichtlich nicht gelten? Der journalistische Umgang mit den Rechtsextremen an diesem Abend erschütterte mehr als ihr – absehbarer – Wahlerfolg in Brandenburg und Sachsen. So schafft man Opfer und Helden.
Wenn es für die Erst- und Jungwähler der Rechtsextremen eines Beweises bedurfte, dass diese Demokratie und ihre Medienvertreter eine Farce sei, am Sonntag wurde er frei Haus geliefert.
Mit ihrer aggressiven und undemokratischen Machtdemonstration haben die Öffentlich-Rechtlichen diesen Wählern zumindest dieses demonstriert: Im Ernstfall gelten uns demokratische Regularien und bürgerliche Umgangsformen wenig; höflich sind wir nur zu den Mächtigen.
So gewinnt man niemanden für die Demokratie, sondern wird zu einem Fall für den Presserat. Eine Rüge haben die ModeratorInnen sich redlich verdient. Und eine Schulung im Umgang mit heiklen Gesprächspartnern. Hoffentlich sagt ihnen da jemand, dass die Haltung „Mich widern Neonazis an“ weder professioneller Journalismus ist noch eine politische Strategie.
EBERHARD SEIDEL