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Archiv-Artikel

Die Vokabelspiele von Emenie

Berlin will mit einem „Sprachförderkoffer für Kindertagesstätten“ beim Lernen helfen

Von CIF

Wenn Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD) seine Kindergärten besucht, trägt er neuerdings ein orangenes Köfferchen bei sich. Die Pappmaché-Box soll helfen, die gröbsten Versäumnisse der elementaren Bildung in der Hauptstadt auszugleichen – nach dem mittlerweile berühmten Bärenstark-Test kommt die Hälfte der Berliner Abc-Schützen bereits mit Sprachdefiziten in die Schule.

Die Box heißt offiziell „Sprachförderkoffer für Kindertagesstätten“ und ist gefüllt mit laminierten DIN-A5-Karteikarten. Auf deren Vorderseite ist jeweils ein handgemaltes Bild zu sehen, hinten drauf verschiedene Wortgruppen. Die Karte mit einem Blindenhund, geführt von einer Person mit entsprechender Binde, bietet auf der Rückseite 15 Hauptwörter rund um den Hund: Jagdhund, Hofhund und so fort bis Geschirr und Ausbildung. Die Verben reichen von abrichten bis Zähne fletschen, die Eigenschaftswörter von gehorsam bis wild. Dazu gibt es noch Basissätze: „Jagdhunde brauchen eine feine Nase.“

Das ist die Stärke und die Schwäche der Karten zugleich: Um an den Alltagssituationen von Kleinkindern anzuknüpfen, sind sie so simpel wie möglich gehalten – und wirken dadurch teilweise banal. Wahrscheinlich geht das nicht allein erwachsenen Betrachtern so, sondern auch quicken Vorschülern. Ali Mitgutschs „Leben auf dem Bauernhof“ etwa ist im Vergleich dazu ein Universum – und das nicht allein wegen seiner Größe.

Dafür ist die Vokabelstrecke auf der Rückseite der Sprachlernkarten umso anspruchsvoller. Kaum ein Kind wird die Reihung von zwölf verschiedenen Hundefunktionen zusammenbringen. Aber es ist ja auch kein Pflichtprogramm, und niemand verbietet es, die angedeuteten Szenen der Vorderseite selbst weiterzudenken. Oder daraus eine kleine Geschichte zu machen. Dann sind die Verben allemal hilfreich: wittern, schnuppern, bellen, anschlagen, führen, ziehen, bewachen, schützen, hüten … Ihre komplette Beherrschung ist ein Ziel, das erreicht sein soll, wenn die Kinder in die Schule kommen. Denn der auf den Lernkarten unter Chiffren wie Körper, Wohnen, Obst oder Zoo enthaltenen Worte spiegeln jenen Sprachschatz wider, der „die Voraussetzung für eine erfolgreiche Mitarbeit am Unterricht ist, und nicht etwa das Ergebnis des Unterrichts“. So steht es im Begleitbuch des Sprachförderkoffers. Es zeigt, wie leicht die Kartenspiele ausbaufähig sind.

Ziel der Arbeit von ErzieherInnen soll es sein, mit den Lernkarten bei den sprachlichen Grundbedürfnissen der Kinder anzudocken – und zu Wort-, Bewegungs- und Theaterspielen zu kommen, Die Idee ist dabei, bestimmte Karten zu einem Projekt zusammenzustellen, das hilft, ein Thema über mehrere Tage zu vertiefen. Dazu gibt es „Kartenwanderungen“, bei denen die Kinder zum Beispiel mit der 6-jährigen Emenie am Morgen aufstehen und ihren Tag miterleben. Mit ihr über die Straße gehen, die Tiere im Zoo besuchen oder Möhren beim Wachsen beobachten. Zuletzt kann Emenie gebastelt werden und forthin eine eigenes Leben führen – in der Fantasie der Kinder.

Der Sprachförderkoffer löst bei Eltern häufig das aus, was seit Pisa so typisch ist, wenn Papi und Mami ein praktisches Beispiel für gutes, fundamentales Lernen entdecken: den Hochmut vor der kleinen Form. CIF

„Sprachförderkoffer für Kindertagesstätten“, Berlin 2003. Handbuch plus Karteikarten in mehreren Sprachen. Aysegül Arslanoglu, Havva Engin, Regine Leue und Sven Walter. Hrsg. vom Institut für kreative Sprachförderung und interkulturelle Kommunikation. Gefördert von Senat Berlin, Bundesbildungsministerium und McKinsey & Company