: Kurzarbeit macht Trucker arm
Das Transportgewerbe hat unter der Wirtschaftskrise besonders zu leiden. Weil die Löhne niedrig sind und Lastwagenfahrer von Überstunden leben, kommt Kurzarbeit für viele nicht in Frage
Der Hamburger Hafen ist eine Drehscheibe zwischen dem Fernen Osten sowie Nord- und Osteuropa. Ein Drittel der Container werden im Verkehr mit China umgeschlagen, ein weiteres Fünftel mit Staaten wie Japan, Südkorea und Singapur. Die Wirtschaftskrise hat die Ausfuhren Chinas im vergangenen Jahr um 17,5 Prozent einbrechen lassen, die Japans um 46 Prozent und die Südkoreas um 35 Prozent. KNÖ
VON GERNOT KNÖDLER
Viele Speditionen im Hafen stehen vor einem Dilemma. Weil es so wenig zu tun gibt, müssten sie Kurzarbeit anmelden, um Entlassungen zu vermeiden. Weil die Branche aber davon lebt, dass Überstunden geschrubbt werden, erweist sich dieses Instrument oft als untauglich: Kurz arbeitende Fahrer würden am Ende mit weniger Geld dastehen als arbeitslose Trucker.
Das Transportgewerbe ist eine der Branchen, in denen die Wirtschaftskrise mit ihrem schrumpfenden Handel am stärksten durchschlägt. Um knapp 21 Prozent ist der deutsche Export im Januar im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Unter der Hand ist zu hören, dass im Hafen zehn Prozent weniger Schiffe einlaufen und dass an den Kais um 30 Prozent weniger Güter umgeschlagen werden. Das hat Folgen für die Beschäftigten.
Weil es weniger zu tun gibt, fallen an der Kaikante hunderte von Schichten aus. Die Containerbrückenfahrer, Lascher und Festmacher bauen Überstunden ab. Im Bereich des Umschlages gibt es Überlegungen, Mitarbeiter weiterzubilden, statt sie in die Kurzarbeit zu schicken.
Bei den Speditionen, die die Container aus dem Hafen hinausbringen oder herbeischaffen, wird die Lage zum Teil als dramatisch wahrgenommen. „Alle reden über Opel, aber über das, was bei uns vor der Haustür geschieht, darüber redet keiner“, sagt Uwe Steinbüchel, LKW-Fahrer und Betriebsratsvorsitzender einer Transportfirma im Hafen. Das Geschäft sei durch die Wirtschaftskrise „zum Erliegen gekommen“.
Die Auswirkungen der Krise seien in der Tat katastrophal, bestätigt Frank Wylezol, Geschäftsführer des Verbandes Straßengüterverkehr und Logistik. „Einbußen von 35 Prozent sind die Realität im Containertransport.“ In Hamburg betreffe das 1.100 Betriebe mit 15.000 Beschäftigten.
Wie Wylezol sagt, leidet die Transportwirtschaft überproportional unter dem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Ein Prozent Rückgang dort bedeute, dass das Geschäft des Gewerbes um 2,5 Prozent schrumpfe. Wylezol weiß von Unternehmen, die ihre Ferntransporte eingestellt haben und deren Laster jetzt ungenutzt auf dem Hof stehen. Sein Verband habe sich vermehrt mit betriebsbedingten Kündigungen auseinanderzusetzen.
Viele Betriebe täten sich schwer, der Krise zu begegnen, weil ihre Liquidität durch die Dieselpreis-Explosion im vergangenen Jahr aufgefressen worden sei. Und jetzt komme auch noch die Erhöhung der LKW-Maut dazu. „Unser Gewerbe hat als einziges zum Jahresbeginn einen Knüppel zwischen die Beine gekriegt“, klagt Wylezol.
Auch in Steinbüchels Firma stellte sich die Frage, wie mit dem Auftragsrückgang umzugehen sei. Um Entlassungen zu vermeiden, wollte der Betrieb Kurzarbeit anmelden. Doch der Lohn der 38 Fahrer ist so ungünstig gestaltet, dass bei 100 Prozent Kurzarbeit nur noch 670 Euro netto übrig blieben. Um einen größeren Kuchen verteilen zu können, hat die Spedition drei Leute entlassen.
Das Problem sind die niedrigen Löhne: Steinbüchel zufolge knapp elf Euro bei einer 38 Stunden Woche. Um über die Runden zu kommen, kloppen die Trucker dauernd Überstunden, die aber beim Kurzarbeitergeld nicht berücksichtigt werden. „Kurzarbeit ist eine Entgeltersatzleistung, die nur auf das gezahlt werden kann, was im Arbeitsvertrag steht“, sagt Chris Jabs von der Arbeitsagentur. Die Arbeitsagentur wolle nicht für Gelder Ersatz leisten, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vertraglich miteinander vereinbart hätten. Überstunden gehörten nicht dazu – es sei denn, sie würden mit einem in der Regel dann höheren Monatslohn pauschal abgegolten. Letzteres sei gerade im Speditionsgewerbe nicht selten.
Dass auch auf die nicht pauschal abgegoltenen Überstunden Sozialabgaben erhoben werden, hat aus Jabs Sicht nichts mit dem Kurzarbeitergeld zu tun. Es könne aber dazu führen, dass Fahrer mehr Arbeitslosen- als Kurzarbeitergeld erhielten. Steinbüchel hat wegen der misslichen Lage seiner Kollegen einen Brief an Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) geschrieben. Eine Antwort steht noch aus.
Wie sich die Speditionen schlagen, hänge auch davon ab, was sie transportierten, sagt Wylezol. Das gilt auch für die Container-Packbetriebe. Wer Autoteile transportiere müsse einen drastischen Einbruch hinnehmen, sagt Eric Danker vom Fachverband. Bei anderen Firmen sei das Geschäft stabil. Das Geschäft sei um zehn bis 15 Prozent geschrumpft, was aber nicht existenzbedrohend sei, heißt es bei der Firma PCH. Trotzdem würde der Betrieb qualifizierte Leute einstellen. Ralf Nordmann von der TCI Holding weigert sich, von einer „Krise“ zu sprechen. „Wir haben immer noch Wachstum in einzelnen Bereichen.“