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Archiv-Artikel

USA: Steuerfreiheit über den Wolken

Die USA und 21 andere Länder wollen weltweit Umweltabgaben und Kerosinsteuern auf den Flugverkehr verbieten lassen. Die EU dagegen plädiert für diese Abgaben. Bei der Sitzung der Luftfahrtorganisation ICAO prallen beide Ansätze aufeinander

EU-Staaten und EU-Parlament drängen auf Zusagen aus dem Kioto-Protokoll

VON BERNHARD PÖTTER

Zwischen der Europäischen Union und den USA mit ihren Verbündeten eskaliert ein neuer Streit um die internationale Klimapolitik. Am Freitag bestätigten die ständigen Vertreter der EU-Länder in Brüssel ihre Ablehnung einer US-Initiative, die den Flugverkehr von möglichen Umweltabgaben oder Kerosinsteuern ausnehmen will. Die EU werde sich dafür einsetzen, dass die Internationale Organisation der zivilen Luftfahrt (ICAO) ihre Verpflichtungen zum Klimaschutz nach dem Kioto-Protokoll erfülle, hieß es gestern in Brüssel. Vergangene Woche lehnte das EU-Parlament in einer Resolution den US-Vorstoß ebenfalls ab.

Auf der Generalversammlung der ICAO, die am 28. September im kanadischen Montreal beginnt, wird damit der Klimaschutz wieder zum Streitthema. Denn dort wird eine Gruppe von 22 Staaten unter der Führung der USA einen Vorschlag machen, der die Erhebung von „einseitigen emissionsbezogenen Abgaben“ durch die Mitgliedsstaaten ausschließt. Der Entwurf fordert außerdem weitere Studien zum Thema Treibhauseffekt durch Flugzeuge und schlägt vor, die Emissionen aus dem Luftverkehr in einem freiwilligen System des Emissionshandels unter den Staaten zu verhandeln. Die Länder, unter ihnen Kanada, China, Russland, Brasilien und Japan, wollen damit eine weitere Belastung der angeschlagenen Flugindustrie verhindern – und für die Zukunft eine CO2-Steuer oder auch eine Kerosinsteuer für Flugzeuge verhindern. Flugverkehr trägt zum Treibhauseffekt mit knapp vier Prozent bei.

Eine solche Abgabe ist aber das erklärte Ziel der EU, um die ökologischen Schäden des Fliegens wenigstes teilweise zu begrenzen. Bisher plant die EU nach Informationen aus Brüssel und aus dem Berliner Verkehrsministerium keinen eigenen Vorstoß, um für die Idee von Umweltabgaben offensiv zu werben. Man wolle nur dafür stimmen, dass die ICAO „geeignete Maßnahmen“ ergreift, um die Klimaschutzziele zu erfüllen, die das Kioto-Protokoll vom Luftverkehr verlange. „Die EU hat bisher insgesamt 41 Staaten auf ihrer Seite“, sagt eine Sprecherin der Verkehrsministerium gegenüber der taz. In den Verhandlungen werde es nun darum gehen, eine Mehrheit der 188 ICAO-Mitglieder zu überzeugen.

Experten erwarten, dass der Vorschlag, Umweltsteuern abzulehnen, auf der ICAO-Versammlung eine Mehrheit bekommen wird. „Die EU muss dafür kämpfen, dass dieser Vorschlag nicht durchgeht“, sagt Dietrich Brockhagen, Flugexperte der Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Die Europäer sollten offensiv ihre Forderung nach einer Umweltabgabe zumindest für den Flugverkehr zwischen den Industriestaaten vertreten.“

Auch die Umweltpolitiker der grünen Bundestagsfraktion machen Druck. In einem Brief an Verkehrsminister Manfred Stolpe fordern Reinhard Loske und Winfried Hermann von Stolpe, er solle „dem Koalitionsvertrag Rechnung tragen“ und sich in der EU dafür einsetzen, dass die Europäer „geschlossen der US-Initiative entgegentreten und alles versuchen, die Annahme zu verhindern“.

Für alle Fälle will die EU ihren Dissens in dieser Frage zu Protokoll geben: Dann nämlich bindet auch ein möglicher ICAO-Beschluss nicht die EU. Das aber ist nötig, wenn die Europäer mit Kerosinsteuern, CO2-Steuern oder der Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel auch nur in einer Koalition der Willigen beginnen wollen.