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Archiv-Artikel

Die Optik ist frei

Abgestellte Fahrräder dürfen nicht amtlich entfernt werden, wenn sie lediglich eine „optische Belästigung“ darstellen, urteilte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Die taz nord sagt: Danke. Gelobt sei das von der Zeit gezeichnete Fahrrad inmitten aufgehübschter Innenstädte

Göttingen, Hannover und Lüneburg, das sind drei von vielen Städten, in denen dem Fahrrad besondere Bedeutung zukommt. Ein Dauerbrenner an allen Orten ist die Frage, ob genug Stellplätze da sind. Vor allem, wenn es um die Stellplätze an den Bahnhöfen geht: Die Fahrradparkhäuser in Göttingen, Lüneburg und Hannover reichen nicht, an allen drei Orten wird über Erweiterungen gesprochen. So lange Kapazitäten fehlen, parken die Radfahrer da, wo gerade Platz ist – zum Beispiel auf dem Bahnhofsvorplatz. Wie jener Göttinger, der sein Rad an der Armlehne einer Bank angeschlossen hatte – und es bei seiner Rückkehr nicht mehr vor fand.

Statt dessen bekam der Fahrradbesitzer eine Rechnung in Höhe von 45,60 Euro von der Stadt, die das Schloss aufgebrochen und das Rad abtransportiert hatte. Die Behörden hatten das Rad entfernt, da sie es als „optische Belästigung“ empfanden und sich über das Erscheinungsbild des Bahnhofsvorplatzes sorgten. Der Besitzer wehrte sich und bekam nun vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg Recht: Eine „optische Belästigung“ ist kein ausreichender Grund, um abgestellte Fahrräder amtlich entfernen zu lassen. Bestätigt wurde damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen.

Das OVG entschied, dass die Vorstellungen der Stadt zur Attraktivität des Bahnhofsvorplatzes und weitere „ästhetische Darlegungen zum Werbecharakter“ gegenüber ortsfremden Reisenden keine straßenverkehrsrechtlichen Gründe seien. Nur solche Gründe könnten aber das Entfernen von Fahrrädern rechtfertigen.

Grundsätzlich sei das Abstellen von Fahrrädern auf Verkehrsflächen, die für Fußgänger vorgesehen sind, „eine den straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen entsprechende Ausübung des Gemeingebrauchs“, heißt es in der Entscheidung. Ein Rad dürfe von einer solchen Fläche nur dann abgeschleppt werden, wenn dadurch „ein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“.

Der Göttinger Fahrrad-Besitzer habe mit seinem Rad niemanden nachhaltig beeinträchtigt, erläutern die Richter. Eine Gefahr sei von dem Fahrrad ebenfalls nicht ausgegangen.

Die taz nord sagt: Danke. Und feiert die optische Freiheit des Fahrrads mit ästhetisch hochwertigen Ansichten aus vier norddeutschen Städten. KLAUS IRLER