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Archiv-Artikel

„Bewahre die Schöpfung“

Nachhaltigkeit ist Joachim Fuhrländer wichtiger als Geld. Das lässt sich nicht nur an den Aufschriften auf seinen Windrädern ablesen, sondern auch an seiner Unternehmenspolitik: vor Ort ausbilden und Arbeitsplätze schaffen, aber auch global agieren

VON ANSGAR WARNER

Windpark Waigandshain-Homberg, mitten im Westerwald: Riesige Rotoren drehen sich hoch oben in der Luft. Ein Dutzend Windräder allein auf weiter Flur, Masthöhe rund hundert Meter. Der größte Windpark in Rheinland-Pfalz liefert seit 2004 sauberen Windstrom für etwa 12.000 Haushalte. Noch viel mehr Energie hat es gekostet, die sturen Westerwälder zu diesem Projekt zu überreden. Der Name des Überredungskünstlers steht nicht nur in großen Lettern auf der Maschinengondel der modernen Mühlen. Er wohnt auch quasi nebenan: Waigandshain ist Firmensitz der Fuhrländer AG.

Im Westerwald weht der Wind rauer, sagen die Leute. Wer sich ihm in den Weg stellt, muss einiges aushalten. Joachim Fuhrländer ist wohl so jemand. In den Achtzigerjahren suchte der gelernte Schmied zusammen mit Gleichgesinnten nach Alternativen zur Atomkraft. Damals drehten sich in Kalifornien schon industriell gefertigte Mühlen. Warum sollte es nicht auch in Deutschland möglich sein, Windkraftanlagen zu bauen? „Hobbys finanzieren wir nicht“, hätten damals die Banken geantwortet, als man um Kredite warb. „Du bist ja kein Ingenieur“, kritisierten andere. Fuhrländer machte trotzdem weiter, auf seine eigene Art, ohne die Banken, aber mit Geld aus privater Hand. Er stellte Ingenieure ein, übernahm ein anderes Unternehmen. Im Jahr 1991 wurde das erste Windrad ausgeliefert, damals noch mit einer bescheidenen Leistung von 30 Kilowatt. Es ging an einen Kölner Energieversorger, für etwa 50.000 Mark. Mehr, als man für ein Hobby ausgibt.

Kleinere Anlagen hat man in Waigandshain immer noch im Angebot, doch tonangebend ist seit Ende der Neunzigerjahre die Megawatt-Klasse. Gerade ist in der Nähe des Siegerland-Flughafens eine neue Fertigungshalle errichtet worden, in der bis zu 15 Megawatt-Anlagen parallel gefertigt werden können. Rau weht der Wind schließlich nicht nur im Westerwald. Mit besonders robusten Windrädern hat man sich auf Binnenland-Standorte konzentriert, ganz gleich ob Eifel, Hunsrück, Brandenburg oder Standorte in Südamerika oder Asien. Fuhrländer ist längst ein Global Player geworden. „Internationalität macht uns keine Angst“, sagt er. Vielleicht auch, weil er in einer ganz anderen Liga spielt.

Das fängt schon bei der Person Joachim Fuhrländer an: Jeans, Rauschebart und Sturmfrisur, eine Mischung zwischen Reinhold Messner und Harry Rowohlt. Als das ZDF kürzlich in seiner Reihe „Weltklasse“ über den Selfmade-Man berichtete, wurde der Exotenstatus des erfolgreichen Mittelständlers weidlich ausgenutzt. Als Soundtrack wählte man den linken Hippie-Klassiker „Was wollen wir trinken sieben Tage lang“. Doch vielleicht muss man die Hippies doch ernster nehmen. „Wir sind heute einer der wenigen unabhängigen, nicht konzernorientierten Windkraft-Hersteller weltweit“, sagt Joachim Fuhrländer nicht ohne Stolz. Deswegen kann man eigene Schwerpunkte setzen. „Geld steht bei uns nicht an erster Stelle“, betont Fuhrländer, „sondern Nachhaltigkeit.“ Darunter wird in Waigandshain nicht nur Engagement für Öko-Energie verstanden. Es geht um die Menschen. Man spricht von Arbeitsplätzen und im selben Atemzug von Ausbildungsplätzen. Ein Drittel der 400 Mitarbeiter sind Azubinen und Auszubis, dabei gibt man auch jungen Menschen aus sozial schwachen Familien eine Chance. Genau wie die Windkraft ist dieses soziale Engagement ein veritables Exportprodukt.

Waigandshain is everywhere: In Butte/Montana bauen die Westerwälder eine neue Niederlassung, von der aus man den gesamten nordamerikanischen Markt beliefern will. Das Projekt hat für Aufsehen gesorgt in der vom Strukturwandel stark angeschlagenen Bergbauregion. Viele Fachkräfte sind längst abgewandert. Jetzt erhofft man sich einen neuen Aufschwung: Neben den großen Fertigungsanlagen planen die Deutschen ein Schulungs- und Ausbildungszentrum, um jungen Menschen eine berufliche Lebensperspektive vor Ort zu geben. „Was in Deutschland mit unseren Auszubildenden funktioniert, wird auch international greifen“, ist sich Joachim Fuhrländer sicher. Weitere Projekte in Südamerika und in Asien sind in Planung.

Derweil drehen sich über den Köpfen der Westerwälder die Rotoren der Windräder. Auf einer der Anlagen kann man lesen: „Bewahre die Schöpfung“. Die Message auf der Maschinengondel richtet sich an die heimischen Basaltköpfe. Wer keine AKWs und Kohlekraftwerke will, kann nicht auf den Bau von Windkrafträdern verzichten, selbst im Westerwald. Die Anrainer allerdings hat am Ende wohl etwas anderes überzeugt. Es gibt plötzlich so viele Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region wie noch nie.