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Archiv-Artikel

Einer tritt ein, zwei treten aus

Die evangelische Kirche hat ihre Mitglieder befragt: Die meisten Gläubigen bleiben auf Distanz. EKD-Ratsvorsitzender Manfred Kock: „Wir werden uns ausdünnen“

BERLIN taz ■ Vor 30 Jahren, als die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) erstmals ihre Mitgliedschaft untersuchen ließ, da schrieb der junge Pfarrer Kock eine Fantasiegeschichte im Gemeindebrief: Die Kirchen würden Museen werden und nur wenige Gläubige übrig bleiben. So schlimm ist es dann doch nicht gekommen.

Gestern stellte Kock – inzwischen EKD-Ratsvorsitzender – die vierte Mitgliedschaftsuntersuchung vor: In den letzten 30 Jahren sind 5,2 Millionen Gläubige aus-, aber nur 1,2 Millionen eingetreten. Alle zehn Jahre gibt die Kirche diese repräsentative Umfrage in Auftrag. Eine „recht aufwändige, wissenschaftliche Untersuchung“, so Peter Cornehl, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates. Sie sei „nicht ganz ohne Risiko für die Kirche, weil manches unbequem ist“.

Eines dieser unbequemen Ergebnisse: Die Kirche kommt bei jungen Menschen nicht mehr richtig an. Ansonsten jedoch hat sich die Einstellung der Mitglieder kaum geändert: Nach wie vor sind ein gutes Drittel der (West-) Kirchenmitglieder „sehr“ oder „ziemlich“ mit der Kirche verbunden und jeder Fünfte überhaupt nicht.

Für die meisten Gläubigen gelte, so fasst es die EKD zusammen: „Gut, dass es die Kirche gibt, aber für mich braucht sie nur zu besonderen Anlässen da zu sein.“ Aktive Beteiligung am Gemeindeleben ist und bleibt selten. Und die evangelische Kirche wäre schlecht beraten, so Präses Kock, sich abzuwenden „vom Leitbild einer Kirche, die unterschiedliche Spielräume für Nähe und Distanz lässt“.

Bleibt das Problem der Austritte. Zwar ist die große Austrittswelle vorbei, die Verhältnisse haben sich stabilisiert: Auf einen Eintritt kommen zwei Austritte. Betriebsbedingte Kündigungen bei den etwa 600.000 Beschäftigten sind aber nicht ausgeschlossen: „Wir werden uns ausdünnen“, sagt Kock.

Erstmals fragt die Studie nach „Weltsichten und Lebensstilen“ ihrer Mitglieder. So glauben 62 Prozent im Osten und 47 im Westen, es gebe eine christliche Leitkultur, auf die sich Muslime einstellen müssen. Weniger als 20 Prozent der Befragten meinen, man müsse sich an Lehrerinnen mit Kopftuch gewöhnen, um gut mit Muslimen zusammenleben zu können. THILO SCHMIDT