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Archiv-Artikel

Her mit dem Zehn-Euro-Ticket!

Demonstranten übergeben Sozialsenatorin über 40.000 Unterschriften. Sie fordern die Einführung eines Sozialtickets für zehn Euro. Verhandlungen werden fortgesetzt

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) hatte gestern Mittag vor dem Roten Rathaus einen schweren Stand. Das lag nicht nur am böigen, stürmischen Wind, sondern vor allem an rund 50 Demonstranten. Die forderten lautstark die Einführung eines Sozialtickets, das die Berliner Nahverkehrsunternehmen nach der Streichung der entsprechenden Senatszuschüsse abgeschafft hatten. „Das ist die Politik der PDS“, fuhr ein Demonstrant Knake-Werner wütend in die Rede. Sozial sei das nicht. Am Freitag werden die Verhandlungen zwischen Senat und den Verkehrsunternehmen der Region über ein neues Sozialticket fortgesetzt.

Kurz zuvor hatten die Demonstranten Knake-Werner über 40.000 Unterschriften überreicht. Ihr Ziel: Eine berlinweite Monatskarte für sozial Schwache zum Preis von zehn Euro. Dies sei vor allem für Arbeitslose notwendig, um mobil zu bleiben, so der Ver.di-Landesgeschäftsführer Roland Tremper. In den Medien lancierte Preise von 30, 40 oder 50 Euro seien ein „Propagandatrick“, um die Betroffenen auf Verschlechterungen einzustimmen. Ein solches Ticket sei ein Etikettenschwindel, so Tremper. Durch Hartz IV hätten die Betroffenen schon genug Einschränkungen hinzunehmen.

Sozialsenatorin Knake-Werner bremste allerdings die Erwartungen. Eine neues Sozialticket werde kein Zehn-Euro-Ticket sein. Das Land Berlin sei hoch verschuldet, „da können wir keine Wünsch-dir-was-Politik“ machen. Sie sei sich sicher, dass es zum 1. Januar 2005 ein Angebot gebe. Leider liege bislang von den Verkehrsbetrieben noch kein Angebot vor, kritisierte Knake-Werner. Ihre Sprecherin, Roswitha Steinbrenner, hob gestern noch einmal die verkehrspolitische Bedeutung eines Sozialtickets hervor. Auch betriebswirtschaftlich könne ein günstiges Angebot Sinn machen, so Steinbrenner. Dies führe zu einer besseren Auslastung von Bussen und Bahnen, die ohnehin unterwegs seien. Auch könnten künftige Arbeitslosengeld-II-Empfänger ins Erwerbsleben zurückfinden. „Dann hätte die BVG neue Kunden gewonnen.“

Allerdings hat der rot-rote Senat, der BVG und S-Bahn jährlich Millionensummen überweist, nicht die besten Karten bei den Verhandlungen mit den beiden Verkehrsunternehmen – ein Grund dafür, dass es noch zu keiner Einigung gekommen ist. Denn die Unternehmen wissen genau, dass der Senat unbedingt ein Sozialticket braucht – käme es nicht, wäre dies eine deutliche politische Niederlage. Entsprechend hart wird verhandelt, könnte der Senat vielleicht doch noch die eine oder andere Million locker machen, um der Berliner Öffentlichkeit ein relativ günstiges Ticket präsentieren zu können.

Zuletzt sollen die Unternehmen eine Monatskarte von rund 55 Euro angeboten haben, knapp zehn Euro unter dem Preis einer normalen Monatskarte. Dass in dem geplanten Arbeitslosengeld II nur 19 Euro pro Monat für Mobilitätskosten einkalkuliert sind, stört dabei offenbar kaum. Kein Wunder, dass ein Demonstrant gestern eine radikale Lösung für sämtliche Tarifpokerrunden parat hatte: „Nulltarif für alle!“

RICHARD ROTHER