: Kanzler wäscht Flick-Erbe rein
Bundeskanzler Schröder eröffnet umstrittene „Friedrich Christian Flick Collection“ in Berlin: „Man würde die Menschen bestrafen, wenn man diese herrliche Sammlung nicht zeigen wollte“
BERLIN taz/rtr ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gestern Abend in Berlin die „Friedrich Christian Flick Collection“ eröffnet. Der Kanzler verteidigte ausdrücklich die wohl fragwürdigsten Ausstellung in diesem Jahr gegen die Kritik aus Kunst und Politik: Eine Kunstausstellung sei nicht dazu geeignet, über deutsche Geschichte zu verhandeln.
Die Werke sollten unabhängig von der Familiengeschichte des Sammlers betrachtet werden. „Man würde die Menschen bestrafen, wenn man diese herrliche Sammlung nicht zeigen wollte. Kunst lenkt nicht von der Geschichte, vom Unrecht der NS-Zeit oder von den Verstrickungen Einzelner ab.“ Flick hätte die Kunstwerke auch im Depot lassen können – „dann hätte er sich Kritik erspart“. Die Entscheidung, sie jedoch öffentlich sichtbar zu machen, verdiene „Respekt“, sagte Schröder unter Applaus.
Zwar sei „besonderes historisches Verantwortungsbewusstsein“ notwendig. Doch Flick „hat gezeigt, dass ihn dazu niemand ermahnen muss“, sagte Schröder und warnte die Kritiker vor „Selbstgerechtigkeit“. Die Aufmerksamkeit für die Ausstellung ermögliche es nun, über die engen Verflechtungen zwischen Nazi-Regime und Wirtschaft und über das Schicksal von Zwangsarbeitern zu diskutieren.
Schröder sagte weiter, Flick sei sich des Unrechts bewusst, das sein Großvater auf sich geladen habe. Der Enkel habe persönlich nichts mit den Kriegsverbrechen seiner Familie zu tun. „Es ist nicht zu bestreiten, dass Friedrich Christian Flick versucht, diese Verantwortung anzunehmen. Er tut dies auf eine sehr persönliche und für ihn angemessene Weise.“ Schröder verwies darauf, dass Flick eine Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gegründet habe. Er forderte Flick auf, seine Sammlung zeitgenössischer Kunst mit insgesamt 2.500 Werken, die zunächst für sieben Jahre im Berliner Museum „Hamburger Bahnhof“ ausgestellt werden soll, in Berlin zu belassen – „am besten für immer“.
Kritiker hatten Friedrich Christian „Mick“ Flick vorgehalten, seine Kunstwerke aus dem ererbten Vermögen seines Großvaters, des NS-Rüstungsfabrikanten Friedrich Flick, finanziert und sich nicht klar von dessen Untaten distanziert zu haben. Auch ihrer Forderung nach einer kritischen Begleitausstellung wurde nicht gefolgt.
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