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Archiv-Artikel

Vom Bewacher zum Erpresser?

Ein Justizvollzugsbeamter soll Knackis erpresst haben – um Geld, Laptops und eine Brille. Seit gestern läuft der Prozess. Richter: „Sollte an den Vorwürfen etwas dran sein, dann würden Sie sich einen großen Gefallen tun, wenn Sie gestehen.“

„Ich hätte wieder eine Straftat begehen müssen, um an Geld zu kommen“

Bremen taz ■ „Das ist ja das reinste Idyll bei Ihnen im Gefängnis“, wunderte sich Richter Hans Ahlers über die Schilderungen des Angeklagten Joachim H. Der arbeitete als Justizvollzugsbeamter im Gefängnis Oslebshausen, seit gestern muss er sich vor dem Amtsgericht verteidigen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe sich mehrfach von Häftlingen bestechen lassen sowie Geld und Wertgegenstände von ihnen erpresst. Einem Gefangenen habe er gar bei einem Freigang die Flucht ermöglicht – und ihn hinterher gefragt: „Warum habe ich dafür noch nichts bekommen?“

H. bestritt die Vorwürfe: Die Häftlinge hätten ihm die Wertgegenstände freiwillig überlassen. Zum Beispiel diese Sonnenbrille im Wert von 300 bis 400 Euro. Der Häftling F. habe die Brille bei einem Hofgang getragen. „Ich hab‘ das gesehen und zu ihm gesagt: ‚Mensch, damit siehst du aber nicht gerade vorteilhaft aus‘ – das war nämlich so ‘ne richtige Verbrecherbrille“, berichtete der 43-jährige JVA-Bedienstete bei seiner Vernehmung. „Ein paar Tage später kam F. dann auf mich zu und meinte: ‚Alle sagen, dass ich mit der Brille doof ausseh‘ – wenn Sie wollen, können Sie die haben.“ Soviel Herzlichkeit im Strafvollzug brachte Richter Ahlers zum Staunen.

„Die hat mir meine Frau zum Geburtstag geschenkt – ich hätte die nie weggegegeben“, sagte hingegen der Zeuge F. über seine „Verbrecherbrille“. Und erzählte im Amtsgericht die Geschichte einer Epressung, die kein Ende nehmen wollte: Im Frühsommer 2002 sei Joachim H. bei ihm nachts in die Zelle geplatzt und habe ihn beim Telefonieren mit dem Handy erwischt. H. habe ihm das Handy abgenommen, da der Besitz von Mobiltelefonen den Häftlingen verboten ist. Ein paar Tage später habe H. ihn dann in sein Büro gerufen und dem Häftling seine Brille abgenommen: „ ‚Du weißt, warum. Damit ist die Sache vergessen‘, hat er zu mir gesagt und die Brille eingesteckt“. F. gibt an, er habe die Brille ziehen lassen, aus Angst, Joachim H. könne doch noch die Anstaltsleitung über seinen unerlaubten Handy-Besitz informieren: Bei solchen Vergehen streicht die Gefängnisleitung den Insassen Hafterleichterungen wie beispielsweise Freigänge – F. wäre für drei Monate nicht mehr aus dem Gefängnis rausgekommen. „Ich hab eine krebskranke Frau, da ist schon ein Monat eine Katastrophe“, erzählte der Zeuge. Der Beamte habe dann immer wieder Geld von ihm gefordert – „mal 30, mal 50, mal 80 Euro“ – und zwei Laptops. Er habe immer wieder gezahlt und die Geräte besorgt, so F.

Als H. zwei weitere Laptops und einen DVD-Player sowie 500 Euro gefordert habe, ging F. zur Staatsanwaltschaft. „Es ging nicht mehr. Ich hatte das Kindergeld von meiner Frau aufgebraucht und es war nichts mehr da – ich hätte wieder eine Straftat begehen müssen, um an Geld zu kommen.“

Richter Ahlers befand die Aussage des Zeugen F. zumindest für „nicht offensichtlich unsinnig“ und gemahnte daher den Angeklagten: „Sollte an den Vorwürfen etwas dran sein, dann würden Sie sich einen großen Gefallen tun, wenn Sie gestehen.“

Auf schwere Bestechlichkeit in Tateinheit mit Erpressung stehen ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Über den Ratschlag des Richtes konnte Joachim H. noch mal eine Nacht schlafen – heute früh wird weiterverhandelt.

Dorothea Siegle