: Indonesier wählen General
Der Ex-General Susilo Bambang Yudhoyono gewinnt die erste Direktwahl in Indonesien. Mit einem Reform-Image konnte er vielen die Angst vor dem Militär nehmen. Doch er bleibt widersprüchlich
VON SVEN HANSEN
„Das entscheidende Problem in Indonesien ist die Korruption. Sollte ich zum Präsidenten gewählt werden, werde ich mir den Kampf dagegen auf die Fahnen schreiben und ihn direkt anführen.“ Dieses Wahlversprechen wird Susilo Bambang Yudhoyono oder „SBY“, wie er zumeist genannt wird, jetzt einlösen müssen. Nach Auszählung von rund 80 Prozent der Stimmen kam er auf 61,1 Prozent, die bisherige Amtsinhaberin Megawati Sukarnoputri auf 38,9 Prozent. Susilos Sieg im Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt gilt deshalb zwei Tage nach der Wahl bereits als sicher, auch wenn das offizielle Ergebnis erst am 5. Oktober verkündet wird.
Der 55-jährige Ex-General mit dem Mondgesicht gilt als persönlich integer. Doch wie er die grassierende Korruption bekämpfen will, sagte er nicht. Sein Versprechen, von oben nach unten vorzugehen, kommt aber gut an. Die Korruption geriet unter der 32-jährigen Herrschaft des Generals Suharto, dessen Familie sich schamlos bereicherte, außer Kontrolle. Und seit Suhartos Sturz 1998 wurde das Problem nicht wirksam angegangen.
Es ist eine Ironie, dass Indonesiens WählerInnen in ihrer ersten freien Direktwahl eines Präsidenten nach Jahrzehnten der Militärherrschaft und sechsjähriger Übergangszeit ausgerechnet einem Ex-General ihr Vertrauen schenkten. Spötter behaupten, das Land leide unter einer besonderen Form von Sars. Die Abkürzung stehe in Indonesien nicht für die Lungenkrankheit, sondern für „Sindrom Aku Rindu Suharto“ – dem „Ich vermisse Suharto“-Syndrom.
Die schwache Präsidentschaft Megawatis war Susilos größte Hilfe. Denn enttäuscht vom Chaos der Übergangszeit sehnen sich viele nach Führung. Susilo sagt, er stehe ideologisch zwischen Sukarno und Suharto, den beiden bisher das Land prägenden Führern: Sukarno habe Tatkraft und Nationalstolz verkörpert, Suharto Stabilität und Ordnung. Dabei geriert sich Susilo als Demokrat und Verteidiger des Rechtsstaats. „Unter den Generälen ist er die Lichtgestalt“, meint ein westlicher Diplomat, der anonym bleiben möchte.
Susilos politischer Ziehvater war der General Sarwo Edhie Wibowo, der Leiter der Militärakademie, die Susilo 1973 als Jahrgangsbester abschloss. 1965/66 spielte Sarwo Edhie eine zentrale Rolle bei der Zerschlagung der Kommunistischen Partei, bei der etwa eine halbe Million Menschen starben.
Susilo heiratete Sarwo Edhies Tochter Kristanti und bewundert den verstorbenen Schwiegervater noch heute. „Der Schwiegervater schadet Susilo überhaupt nicht“, meint der deutschstämmige Philosophieprofessor Franz Magnis-Suseno. „Die meisten Indonesier sehen noch nicht, dass damals etwas Grauenhaftes passiert ist.“ Susilo selbst wurden nie Verfehlungen nachgewiesen, obwohl er zum Beispiel zweimal Einheiten in Osttimor leitete. Er durchlief Lehrgänge bei der US-Armee, war als Militärbeobachter in Bosnien und studierte an der US-Universität Webster Management. „Als Westler können wir gut mit ihm leben, er teilt unsere Wertevorstellungen“, meint der Diplomat.
Der moderate Muslim Susilo weist gern darauf hin, dass er bei der Reform des Militärs nach Suhartos Sturz eine wichtige Rolle gespielt hat. 1998 war er im Militärstab für soziopolitische Führung; das Militär hatte neben der Verteidigung noch einen explizit politischen Auftrag. Als politischster der Militärs befehligte Susilo keine Truppen, sondern galt als „General mit Köpfchen“. Der Suharto-nahe General Wiranto stellte ihn 1999 in einem Machtkampf kalt, doch kurz darauf machte ihn der damalige Präsident Abdurrahman Wahid zum Minister für Bergbau und Energie. Später wurde Susilo, inzwischen aus dem Militär ausgeschieden, Koordinationsminister für Sicherheit.
Als Wahid 2001 einer Amtsenthebung durch das Parlament dadurch zuvorzukommen versuchte, dass er den Ausnahmezustand ausrief, versagte Susilo ihm die Gefolgschaft. Das kann als Verteidigung der Demokratie gewertet werden, lässt sich aber auch mit seinem Ehrgeiz begründen. Denn er hoffte, Vize der neuen Präsidentin Megawati zu werden. Stattdessen wurde er wieder Sicherheitsminister.
Bis heute ist offen, ob Susilo nicht doch zu autoritärem Verhalten neigt. „Er ist ein militärischer Karrierist, der sich Mühe gibt, ein Zivilist zu sein. Aber sein militärisch-kultureller Hintergrund macht es ihm unmöglich, wirklich auszubrechen“, meint etwa der Publizist Wimar Witoelar.
Offen ist auch, ob Susilo überhaupt Reformen durchsetzen kann. Der westliche Diplomat hält ihn zwar für einen „Gesinnungstäter für den Reformprozess“. Doch er werde auf große Widerstände stoßen: „Das Parlament wird auf Blockadekurs gehen“, erwartet der Diplomat. Susilos eigene Partei hat nur 56 der 550 Parlamentssitze. Kritiker halten ihn zudem für entscheidungsschwach. „Er lässt oft lieber seine Untergebenen entscheiden“, sagt der Journalist Taufik Mihardja von Kompas, Indonesiens größter Zeitung.
2002 befürwortete Susilo ein Friedensabkommen für die Unruheprovinz Aceh. Als dies aber von Hardlinern torpediert wurde, fügte er sich und stützte das Kriegsrecht. Das Image vom Macher könnte deshalb bald leiden.
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