: Keine Angst beim Brennen
Gutachten zum neuen Urheberrecht hält Programme zum Kopieren von CDs für legal
von DIETMAR KAMMERER
Das neue Urheberrecht, das vergangenen Monat in Kraft getreten ist, bringt nicht nur Musikliebhabern und Tauschbörsennutzern Einschränkungen. Auch Unternehmen, die sich auf die Programmierung von Brennsoftware spezialisiert haben, sehen sich durch die neuen Normen in ihren Grundrechten verletzt. Die Ulmer Softwarefirma S.A.D, Hersteller von Programmen wie MovieJack, DVD Copy Suite und CDRWIN, hat aus Furcht vor Schadenersatzklagen der Rechteindustrie ihre Produkte entweder vom Markt genommen oder durch reduzierte Versionen ersetzt, die nicht mehr in der Lage sind, kopiergeschützte Inhalte zu verarbeiten.
Dabei ist die Anfertigung auch digitaler Kopien zum privaten Gebrauch nach wie vor legal. Nur die Programme, die das auch einem Computerlaien möglich machen, sind es (möglicherweise) nicht mehr: Der Paragraf 95a Abs. 3 des geltenden Gesetzes verbietet unter Strafandrohung „Herstellung, Einfuhr, Verbreitung, Verkauf, Vermietung“ und sogar die „Bewerbung“ so genannter „Umgehungstechnologien“, also jeder Art von Soft- oder Hardware, die geeignet ist, Kopierschutzmechanismen auszuhebeln.
Elaborate Bytes, Hersteller des Kopierklassikers CloneCD, hatte deshalb bereits vorsorglich den Firmensitz in die Schweiz verlegt, nur um auch dort den Vertrieb ihres Produkts untersagt zu bekommen. Erst seit die Rechte an eine in Antigua ansässige Firma verkauft worden sind, kann das Programm nun wenigstens online vertrieben werden – das Rechtsrisiko liegt nun bei den Zugangsprovidern, die Internetadressen eigentlich sperren müssen, wenn ihnen bekannt ist, dass sie hierzulande illegales Material anbieten. Die Flucht in diese Grauzone wollten die Ulmer lieber nicht antreten. Sie kündigten noch vor In-Kraft-Treten des Gesetzes eine Klage an, die sie notfalls bis vors Verfassungsgericht bringen wollten. Zur Vorbereitung gaben die Ulmer beim Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht“ (ITM) in Münster ein Rechtsgutachten in Auftrag. Das Ergebnis liegt inzwischen vor: Aus dem Gang nach Karlsruhe wird wohl nichts, aber die Recording-Software des Unternehmens darf nach Auffassung des Gutachtens „zumindest übergangsweise“ weiterhin hergestellt und vertrieben werden.
S.A.D.-Geschäftsführer Thomas Herrmann will seine Programme wieder in vollem Umfang auf den Markt bringen. Den Kunden, die in den letzten Wochen bloß die entschärften Versionen erwerben konnten, bietet er Nachrüstungen an.
Zu einem lang andauernden Grabenkampf mit den Rechteinhabern will es Herrman aber nun doch nicht kommen lassen. Er bietet der Industrie einen Kompromiss an: Die „Recording-Software-Industrie“ sei bisher nur „als Teil des Problems wahrgenommen“ worden, heißt es in einem Positionspapier. Gerade Firmen wie S.A.D. seien jedoch ein Teil der Lösung. Es gehe darum, Systeme für das „Digital Rights Management“ zu entwickeln die in der Lage sein werden, rechtmäßige Kopien von unrechtmäßigen zu unterscheiden. „Es liegt auf der Hand, dass die Akzeptanz von DRM-Systemen nicht von Gerichten entschieden werden kann. Das geht nur in Kooperation zwischen den Rechteinhabern und den Herstellern von Kopierprogrammen“, ließ Herrmann verlauten.
Dass es je dazu kommen wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn inzwischen fordert die Medienindustrie ganz offen schlicht die Abschaffung des Rechts auf die Privatkopie an digitalen Dokumenten jeder Art. Das Justizministerium hat bereits Verständnis dafür signalisiert. Zweifelhaft ist deshalb auch, ob sich die Rechtsauffassung aus Münster tatsächlich vor Gericht durchsetzen lässt. Ohnehin ließ sich die Medienindustrie schon mal eine Schonfrist für sich selbst ins geltende Gesetz schreiben. Der Paragraf 95b, der die „Durchsetzung von Schrankenbestimmungen“ regelt, das heißt das Recht des Käufers etwa einer CD, von der Musikindustrie die Möglichkeit einzuklagen, seine Kopie zum eigenen Gebrauch anfertigen zu können, tritt erst im September 2004 in Kraft.