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Archiv-Artikel

Unerfahrene Edeltrinker

betr.: „Nicht Krisen-, sondern Qualitätsbeweis“, taz vom 10. 10. 03

Als süddeutscher Weinkenner fühle ich mich im Meinungskommentar von Till David Ehrlich als „Billigtrinker“ verunglimpft. Der Kommentar ist pointenreich und spritzig geschrieben, aber es gibt immer mehrere Sichtweisen. Vielleicht kennt er als Qualitätskonsument nur das „gänzlich andere Weintrinken“ der „Generation der 30- bis 45-Jährigen“, die sich schon aus Prestigegründen die teurere, luxuriös aufgemachte Flasche vorsetzen lassen.

Es gibt aber auch in Deutschland Landstriche mit alter selbstverständlicher Weinkultur, in denen das „angebliche Luxusprodukt“ auch protestantischen Asketen keineswegs ein frevelbedingtes schlechtes Gewissen verursacht, sondern als Haus-,Tisch- oder Tafelwein zur täglichen Ernährung gehört. Als einstiger Weinbaugehilfe im rheinhessischen Wonnegau hat es mich in unwirtliche Berge nördlich der Mainlinie verschlagen, und hier finde ich durch Zufall in einem Supermarktregal einen – von sicherlich unerfahrenen Edeltrinkern weit unter Wert verschleuderten – gesund ausgebauten, leichten, sehr bekömmlichen, trockenen, von Nichtkennern als „billig“ verschrienen Müller-Thurgau einer mir bekannten Lage, den meine Frau und ich nun über die Jahrgänge hinweg zu unserem geliebten Tafelwein erkoren haben.

Mögen andere mit teuren, alkoholreichen edlen Tropfen – mit Klasse statt Masse – sich hin und wieder „übernehmen“; wir werden weiterhin preiswert den deutschen Durchschnittsverbrauch in der Menge stützen und uns dabei wohlfühlen – zur Gesundheit!

MARTIN DIETZ, Wehrheim im Taunus