piwik no script img

Archiv-Artikel

kabinenpredigt Kickers Recht

Ein 120 mal 80 Zentimeter großes Plakat reichte Hertha BSC vor der Saison, um ein Regelwerk niederzuschreiben, wie sich ihre Profis auch jenseits des Spielbetriebs verhalten sollen. Das Werk wurde „Verhaltenskodex“ genannt und an die Kabinenwand genagelt.

Die Welt des Fußballs besticht immer wieder durch ihre Schlichtheit und Übersichtlichkeit. Der Fall Patrick Ebert war vergangene Woche so schnell zu klären. Zur Anklage stand der Tatbestand „Ausgang zur Unzeit“ (nachts um halb vier). Damit verstieß Ebert im weiteren Sinne gleich gegen vier der fünf Kategorien des Hertha-Kodexes: Identifikation, Respekt, Professionalität, Arbeitsgrundsätze. Das Urteil war bereits ein Tag nach der durchzechten Nacht gefällt: Suspendierung vom Profikader und eine „saftige“ Geldstrafe in fünfstelliger Höhe.

Das juristische Nachspiel für Patrick Ebert dürfte dagegen wesentlich länger dauern. Der Vorwurf des Vandalismus steht nämlich noch im Raum. Er und sein Exteamkamerad Kevin-Prince Boateng stehen im Verdacht, auf ihrer nächtlichen Tour Autos zerkratzt und Seitenspiegel abgetreten zu haben. Das verstößt zwar gewiss ebenfalls gegen den Verhaltenskodex von Hertha, aber was schwerer wiegt: Ebert kommt in Konflikt mit dem Strafgesetzbuch. Die Ermittlungen sind im Gange. Eberts Anwalt hat Akteneinsicht gefordert. Man hat bereits die dicken Leitzordner vor Augen, die diese Verdachtsmomente ausgiebig dokumentieren und juristisch einordnen.

Strafen funktioniert im Fußball eben wesentlich einfacher. Hier werden diktatorische Verhältnisse noch als sinnvoll anerkannt. Im Krisenfall wird gerne per Notstandsgesetz regiert. Ausgehsperren sind keine Seltenheit. Resozialisierung ist zweitrangig. Gegebenenfalls wird „aussortiert“.

So wie bei Union Berlin. Stürmer Nico Patschinski wurde Anfang März fristlos gekündigt. Er soll im Umfeld des Erzrivalen BFC Dynamo etwas Negatives über Union gesagt haben. Beweise gibt es keine, zumindest keine öffentlichen. Wer hat da wen diffamiert? Reicht das zur fristlosen Kündigung? Patschinski hat vor einem staatlichen Gericht Klage eingereicht. Ein spannendes Aufeinandertreffen von zwei Rechtssystemen.

JOHANNES KOPP