: Großer Empfang in Teheran
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi wird bei ihrer Rückkehr ausParis begeistert gefeiert. Doch Präsident Chatami windet sich und wird dafür kritisiert
BERLIN taz ■ Über hunderttausend Menschen haben am Dienstagabend der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi einen triumphalen Empfang bereitet. Bereits Stunden vor der Ankunft der Maschine aus Paris waren die Straßen zum Flughafen Mehrabad verstopft. Frauen und Männer, die aus anderen Städten mit Bussen und Personenwagen angereist waren, mussten lange Strecken zu Fuß zurücklegen. Zehntausende Frauen, die als Symbol des Friedens weiße Kopftücher und weiße Blumen trugen, nahmen mit ihren Kindern an der Begrüßung teil. „Dame des Friedens, sei willkommen in Iran“, skandierten sie. Auf Plakaten wurde die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert.
Doch nur ein kleiner Teil der Versammelten bekam Ebadi zu sehen. Der Flughafen war von Polizei und Sicherheitskräften abgeriegelt. Die Preisträgerin wurde im VIP-Pavillon von einem ausgesuchten Publikum, darunter dem Stellvertreter des Staatspräsidenten, Mohammad Ali Abtahi, Regierungssprecher Abdollah Remezanzadeh, einigen Abgeordneten und Vertretern von Verbänden empfangen. Ebadi äußerte nur wenige Sätze. „Der Preis bedeutet, dass die Welt den Ruf der Menschen in Iran nach Menschenrechten und Demokratie vernommen hat“, sagte sie. „Ich wollte eine Rede halten, aber ich muss mich entschuldigen. Ab morgen stehe ich zu euren Diensten.“
Unter der versammelten Menge draußen befand sich auch eine Gruppe von etwa zwanzig bärtigen, schwarz gekleideten Männern, die gegen die Preisträgerin protestierten. Sie wurden ausgebuht, aber zu Handgemengen kam es nicht.
Der Unmut der Versammelten richtete sich auch gegen Präsident Chatami, der sich nach viertägigem Schweigen endlich zu dem Ereignis äußerte. Er freue sich zwar, dass eine Iranerin und Muslimin den Preis erhalten habe. Aber der Friedensnobelpreis sei nicht so wichtig wie etwa der Nobelpreis für Literatur oder für Wissenschaften. Zudem sei der Preis mit politischen Absichten verbunden. Er hoffe, dass „die Dame“ sich nicht für „politische Ziele, die sich gegen die Interessen unseres Landes richten, missbrauchen lässt“. – „Lebe hoch, Ebadi, schäme dich, Chatami“, riefen die Versammelten. Die Journalistin und Frauenrechtlerin Schadu Sadr sagte: „Die Äußerungen Chatamis waren unerträglich. Das ist eine Missachtung von Millionen Frauen, die dem Präsidenten ihre Stimme gegeben haben.“
Gestern nahm Ebadi an einer Pressekonferenz teil, bedankte sich für den großen Empfang und sagte: „Der Preis gehört allen, die sich in Iran für Menschenrechte und Demokratie einsetzen. Meine Aufgabe ist, der Welt mitzuteilen, dass meine Landsleute Krieg und Gewalt verabscheuen und ihre Rechte friedlich fordern. Wir werden diesen Weg fortsetzen.“ Ebadi forderte die Freilassung der politischen Gefangenen und schloss ihre Rede mit dem Appell: „Lassen Sie zu, dass dieses Volk vereint und in Freiheit lebt.“
BAHMAN NIRUMAND