: Kölner Behörde schiebt unrechtmäßig ab
Eine Nigerianerin wird ausgewiesen, obwohl die Ausländerbehörde dem Verwaltungsgericht das Gegenteil versprochen hatte. Erst in letzter Minute kann sich die Frau in Sicherheit bringen. Die Erklärung der Amtsleiterin Dagmar Dahmen fällt dürftig aus
von Ruth Helmling
Die Kölner Ausländerbehörde (ABH) hat einen fatalen Fehler gemacht: Am 6. September zwang sie die Nigerianerin Maria Johnson (Name geändert) zur Ausreise, obwohl die ABH selbst dem Kölner Verwaltungsgericht noch im Juni telefonisch zugesichert hatte, dies nicht zu tun. „Das ist ein Fehler, der dem Kollegen passiert ist“, gibt die Leiterin der Ausländerbehörde Dagmar Dahmen gegenüber der taz zu. Die „entsprechende Notiz“ in der Akte sei „leider nicht gemacht“ worden.
Rechtsbruch hin oder her, Johnson war erstmal abgeschoben. Bei einer Zwischenlandung auf dem Flughafen in Amsterdam beantragte die junge Frau Asyl und konnte so den Flug nach Nigeria umgehen.
Eine Rückkehr dorthin wäre für sie lebensbedrohlich, meint Behshid Najafi von der „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“ (agisra). Najafi betreut Johnson seit einem Jahr. Menschenhändler hätten die Nigerianerin nach Köln gebracht und zur Prostitution gezwungen, berichtet sie. Im Juli vergangenen Jahres habe Johnson fliehen können. Sie wandte sich an die Polizei und zeigte die Betreiber des Kölner Bordells an. Wegen mangelnder Informationen stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren jedoch ein.
„Maria hat panische Angst, dass ihre Zuhälter sie finden könnten“, erklärt Najafi. Neben psychischen Schwierigkeiten, die das „Therapie Zentrum für Folteropfer“ in einem Gutachten bestätigte, habe sie auch gesundheitliche Probleme und müsse in Köln behandelt werden. ABH-Leiterin Dahmen hält eine Ausweisung dagegen für unbedenklich: „Wir haben den Lagebericht geprüft. Danach muss sie in Nigeria nichts befürchten.“
Inzwischen habe ihre Behörde „ordentlich und gerichtsfest repariert, was falsch gelaufen ist“. Am Montag habe das Ausländeramt damit begonnen, seinen „Fehler“ auszubügeln. „Johnson kommt nächste Woche“, kündigt Dahmen an. Burkhard Zimmer von Johnsons Anwaltskanzlei bescheinigt der Behörde, man müsse zumindest „jetzt objektiv sagen, dass sie sich jedenfalls um ihre Rückkehr bemühen“.
Vor knapp drei Wochen sah das anders aus. Noch am Tag der Abschiebung forderte das Kölner Verwaltungsgericht Dahmen in einem Schreiben auf, binnen einer Woche Stellung zu der unrechtmäßigen Aktion zu nehmen. Unter anderem sollte sie erklären, „wie es zu diesem schwer wiegenden Fehlverhalten“ kam und „welche Maßnahmen getroffen worden sind, um dieses Fehlverhalten sofort rückgängig zu machen“.
Dahmen ließ sich mit der Antwort tatsächlich eine Woche Zeit: „Dass es dann aufgrund der fehlenden Kenntnis [...] zu der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kam, bedauere ich.“, heißt es in dem Brief vom 13. September. Beide Schreiben liegen der taz vor. In keinem Wort erwähnt Dahmen jedoch, was sie getan habe, um Johnson zurückzuholen. „Das haben wir erst im Nachgang mitgeteilt“, erklärt Dahmen der taz. Das Gericht wolle Fakten, „aber ich kann ja nicht über ungelegte Eier reden“. Da Johnson nicht nach Nigeria weitergeflogen war, „wussten wir erst nicht, wo sie abgeblieben ist“.
Auch wenn Johnson bald nach Köln zurückkehrt, ist nicht klar, ob sie bleiben darf. Das Verfahren um ihre Aufenthaltsgenehmigung ist noch nicht abgeschlossen. Im Juni diesen Jahres hatte ihr Rechtsanwalt Hanswerner Odendahl einen Eilantrag gestellt, dass Johnson nicht ausgewiesen wird. Bis das Gericht entschieden hat, ist die Ausländerbehörde verpflichtet, von einer Abschiebung abzusehen oder dem Gericht zumindest eine Entscheidungsfrist von 14 Tagen einzuräumen. Letzteres hatte die Behörde dem Kölner Verwaltungsgericht zugesagt, bestätigt dessen Sprecher Ulrich Müller-Bernhardt. Inzwischen habe die ABH sich laut Dahmen „offiziell entschuldigt“. Das Gericht habe die Entschuldigung angenommen.
„Normalerweise funktionieren diese Absprachen“, nimmt Müller-Bernhardt die ABH in Schutz. „Das Ausländeramt schafft Fakten und hebelt so den Rechtsstaat aus“, wettert dagegen Rechtsanwältin Florentine Heiber, die häufiger Mandanten in Flüchtlingsfragen vertritt. Der aktuelle Fall sei nicht der erste Fauxpas: Im vergangenen Jahr habe die ABH zwei Mal versucht, ein minderjähriges Opfer von Frauenhandel abzuschieben. Die Abschiebungen misslangen. Doch anstatt ihr eigenes Verhalten zu überdenken, zeigte die Behörde agisra und Rechtsanwältin Heiber wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt an. Heiber ist empört: „Wir setzen uns für die Menschenrechte ein und sie kriminalisieren uns.“