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Archiv-Artikel

Ein Engel für Opa

„Fokus“: Das 2. Oldenburger Festival für freies Kinder- und Jugendtheater initiiert ein „Rendez-vous Jung & Alt“. Von Subventionskürzungen bedroht

Engel kann ein ganz schön blöder Job sein. Da muss man sich zum Beispiel vor einen Bus schmeißen, damit der Schützling nicht überfahren wird. Als Dank wirft dieser einem dann achtlos einen Hammer auf den Fuß. „Opas Engel“, die Figur der gleichnamigen Inszenierung des Oldenburger WiDu Theaters, ist eine knuffige Matrone mit Stummelflügeln und breiten Hüften, die so manchen Schlag und Schups kassiert. Das muss sie abkönnen, als leidgeprüfter Schutzengel vom Opa, der dem Enkel seine Lebensgeschichte erzählt.

Mit dem Stück nach dem Erfolgsbuch von Jutta Bauer eröffnete Dieter Hinrichs als Regisseur und Hausherr das Kinder- und Jugendtheaterfestival „Fokus 2“ im Theater Hof 19. Motto: „Rendez-Vous zwischen Jung und Alt“. Mit dabei: freie Produktionen aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Stadt Oldenburg hat ihren Zuschuss von 7.500 Euro (bis 2005) mit der Zielvorgabe verknüpft, dass Kinderstücke im Angebot dieses Oldenburger Theaters bleiben.

Dabei wollte Dieter Hinrichs schon die Brocken hinschmeißen und nur noch Erwachsenentheater machen: ein paar Happen Shakespeare zu irgendeinem Menü. Etwas, das dem Massenpublikum schmeckt. Denn die Zuschauerzahlen in Hinrichs Theater gingen zurück, Schulen sagten ganz ab und besuchten lieber das Oldenburgische Staatstheater. Dort können mit Hilfe großer Sponsoren die Karten für umsonst angeboten werden. Darunter leiden die freien Kinder- und Jugendtheater in Oldenburg, namentlich Widu und auch Theater Wrede, das dieser Tage mit „Bilsenkraut“ ein Kinderstück zum Thema Fremdenfeindlichkeit herausgebracht hat.

Jetzt kommen noch mal die Kürzungen des Landes Niedersachsen dazu: dreißig Prozent – also 368.000 Euro – im Etat freier Theater. Und das trifft vor allem die Kinder- und Jugendproduktionen, die eh schon mit sehr wenig Aufwand auskommen. Von den etwa achtzig im Landesverband freier Theater in Niedersachsen organisierten Gruppen werden pro Jahr fünfzig Produktionen für Kinder- und Jugendliche erarbeitet: das sind fünfundfünfzig Prozent aller freien Produktionen. Mit dreitausend Aufführungen im Jahr erreichen diese Stücke 250.000 Zuschauer (2002). Ein Fünftel der freien Gruppen produziert nur für den Zuschauernachwuchs. Nur eine Fünftel setzt ausschließlich auf Produktionen für Erwachsene.

Kulturminister Lutz Stratmann schickte denn auch seinen stellvertretenden Abteilungsleiter, Jörg Siewert, zur Festivaleröffnung. Er äußerte unverhohlene Kritik an der Kürzungslinie: „Die Qualität des niedersächsischen Freien Theaters steht nicht im Verhältnis zu den vom Kabinett beschlossenen Kürzungen“, betonte er.

Die Forderung des Ministers, Staatstheater sollten stärker mit der freien Szene kooperieren, sieht Dieter Hinrichs erst mal positiv: „Man sollte vertrauensvoll darüber sprechen, wie man Theater anders organisieren kann.“ Jedoch habe er wenig Hoffnung, dass sich die schwerfälligen Staatstheater wirklich öffnen, prompter auf Zeitaktuelles reagieren, direkt mit Autoren zusammen arbeiten und mit wenig Mitteln zu eigenen ästhetischen Lösungen kommen würden.

Dass das die Stärke freien Kinder- und Jugendtheaters ist, zeigte „Opas Engel“. Hinrichs arbeitet bewusst minimalistisch. Die Bühne: ein weißer Guckkasten. Wir sind irgendwo auf Wolke Sieben. Der kleine Junge sitzt am Bett des Opas und baumelt linkisch mit den Füßen. „Opa, erzähl doch mal.“ So wird aus Opa ein kleiner Junge. An Schnüren baumeln Stiefelpaare. Es ist Krieg, Soldaten marschieren, und, pars pro toto, schwingen die Stiefel durch den Raum, hauen den jungen Opa um, der immer wieder vom Engel gerettet werden muss. Kriegsende: die Stiefel fallen zu Boden und eine missmutige Trümmerfrau fegt den Dreck der Geschichte weg.

Es ist diese Kargheit der Mittel, die universelle Sprache klar choreographierter Bewegungen, die den jungen Zuschauern eine ganze Welt eröffnet, die sie selbst ausmalen dürfen. Das Theater Metronom aus Visselhövede zeigt heute mit dem Stück „Papiervogel“, dass Kindern oft auch gar nichts anderes bleibt, als die eigene Fantasiewelt. Denn: Erwachsene haben sowieso nie Zeit. Oder vielleicht doch mal. Denn das Festival läuft ja noch. Und es gibt fast jeden Tag ein Stück zu sehen. Marijke Gerwin

bis 30. September, Infos: www.theaterhof19.de