daumenkino: Das Mädchen …
Es braucht nur ein paar weiße Tücher, die sich Scarlett Johansson um den Kopf gebunden hat. Schon erkennt man die Hauptdarstellerin aus „Lost in Translation“ kaum wieder, wenn sie nun als Haushilfe durch die Wohnung des Malers Jan Vermeer (Colin Firth) schwebt. Wäre da nicht dieser üppige Mund, den sie verträumt und stets wie zum Kuss halb geöffnet hat. Er macht ihr Gesicht unverwechselbar, und er macht auch einen großen Teil der Attraktivität von Peter Webbers „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ aus. Sobald Johansson den Künstler aus dem 17. Jahrhundert schüchtern anlächelt, scheint im Film etwas von dem Geheimnis auf, das die Bilder Vermeers heute noch umgibt.
Tracy Chevalier hat über dieses Geheimnis einen Roman geschrieben, in dem Vermeers Leben aus der Perspektive der Magd Griet geschildert wird. Die damit einhergehende Legende um das Genie wird auch in der Verfilmung des Buches nicht geschmälert, im Gegenteil. Der Film ist mit seinen weitläufigen Korridoren und naturgetreuen Interieurs über weite Strecken selbst eine Abfolge bis ins Detail komponierter Gemälde. Das mag ein Triumph von Webber sein, dem es gelungen ist, die Farben Vermeers nicht bloß als pittoresken Hintergrund für die eher schlichte Geschichte der unerfüllten Liebe zwischen Maler und Modell einzufangen. Doch auf Dauer ist das ein wenig viel Kunstwollen.
Warum muss das filmische Bild mit den Originalen konkurrieren? Warum sollte die Kamera das weiche Licht und die atmosphärisch aufgeladenen Raumfluchten noch perfekter zeichnen, als Vermeer es vermochte? Damit läuft Webbers Film Gefahr, seinen Gegenstand in der Darstellung überbieten zu wollen. Entsprechend schmal ist der Grat zwischen aufrechter Genauigkeit im Umgang mit der Historie und kitschig verzuckernder Patina. Szenen, in denen die Pest damals vor allem die arme Bevölkerung von Delft dezimierte, wurden wieder gestrichen, um der Magie im Atelier mehr Raum zu geben. Deshalb auch sieht man immer wieder, wie Vermeer gemeinsam mit seiner Muse Griet minutenlang Farben stampft. Es ist ein alchemistisches Ritual, das im Film Momente der Intimität schafft. Aber an den Zauber der Malerei reicht es nicht heran. HARALD FRICKE
„Das Mädchen mit dem Perlenohrring“. Regie: Peter Webber. Mit Colin Firth, Scarlett Johansson. USA 2003, 101 Min.
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