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Archiv-Artikel

Was sagen Zahlen über das Leid?

betr.: „Gewalt ist keine Frage von Bildung“, taz vom 22. 9. 04

Was ist daran neu bzw. überraschend, dass Gewalt in allen Schichten vorkommt? Vielleicht war das neu vor 25 bis 30 Jahren, als die ersten Frauenhäuser gegründet wurden, aber heute? Traurig ist doch nur, dass die Hilfen für die betroffenen Frauen schon wieder gekürzt werden, aber für Studien immer noch Geld da ist.

Was mich an dem Artikel allerdings am meisten betroffen gemacht hat, ist der Satz „Die Schmerzen und die blauen Flecken gehen, aber der psychische Schmerz bleibt“. Zum einen weil viele Frauen wohl unter mehr als blauen Flecken leiden, weil die Spirale der Gewalt sich oft immer höher schraubt und ein Ausstieg für die Frau auch ihre physische Existenz bedrohen kann. Zum anderen sind in Familien auch die Kinder betroffen. Meine Mutter ist von meinem Vater geschlagen worden, erst selten, dann öfter und immer brutaler. Ich habe damals (16) nicht verstanden, warum sie ihn nicht verließ; ich habe seine Drohungen nicht ernst genommen, aber sie schon (1978, es gab kein Frauenhaus bei uns). Drei Tage nach einer versuchten Trennung war meine Mutter tot und meine kleine Schwester (12), die Augenzeugin war, ist bis heute traumatisiert, da damals niemand es für nötig hielt, sie psychologisch zu betreuen. Auch ihre eigene Familie ist durch das nicht verwundene Trauma beeinflusst. Was sagen schon Zahlen aus über das Leid der Menschen […] NAME UND ANSCHRIFT sind der Redaktion bekannt

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