: Partei muß wieder Spaß machen
Die Mitglieder mobilisieren, eine gerechtere Politik entwerfen und Glaubwürdigkeit bei den Menschen zurückgewinnen: Hamburgs SPD-Vorsitzender Mathias Petersen im taz-Interview über die ersten 100 Tage und die Jahre bis zur nächsten Wahl
Interview: sven-michael veit
taz: Herr Petersen, Sie sind als „Kandidat der Basis“ zum Parteichef gewählt worden. Glauben Sie, die Widerstände gegen sich vor allem bei den Funktionären und im Landesvorstand abgebaut zu haben?
Mathias Petersen: Ich habe nicht das Gefühl, dass es innerhalb der Partei Schwierigkeiten mit mir gibt. Auch im Landesvorstand ist allen klar, dass wir als Partei gemeinsam und geschlossen an einem Strang ziehen müssen, und das tun wir. Da machen alle richtig ordentlich mit.
Dann andersherum: Im Mai 2006 steht die Wiederwahl des Parteichefs an. Was wollen Sie bis dahin erreicht haben, um weitermachen zu können?
Vordringlich sind drei Ziele: Wir müssen den Austrittstrend stoppen und die Mitgliederzahl wieder deutlich steigern. Das geht aber nur, wenn alle das Gefühl haben, es macht wieder Spaß und es lohnt sich, für diese Partei zu arbeiten und andere vom Mitmachen zu überzeugen.
Wie wollen Sie jemandem Spaß an dieser SPD vermitteln?
Das klingt nach einer ketzerischen Frage. Das Problem im Moment ist der weit verbreitete Eindruck, die Sozialdemokraten machten keine sozial gerechte Politik mehr. Das ist objektiv falsch. Die größte soziale Ungerechtigkeit ist die Langzeitarbeitslosigkeit, und da versuchen wir ja gerade gegenzusteuern. Unser zweites Ziel ist es, Konzepte für eine gerechtere Steuerpolitik zu entwickeln.
Viel Glück dabei.
Danke. Da müssen wir hart arbeiten, keine Frage. Mein Anliegen in der Hamburger SPD ist ein Steuerprogramm, das eine gerechte Erbschafts- und Vermögenssteuer vorsieht. Es muss so sein, dass alle zum Wohl des Staates ihr Scherflein beisteuern. Und ich bin überzeugt, dass wir das hinbekommen. So kann die SPD in Hamburg von den Menschen wieder akzeptiert werden als eine Partei, die sich um sie kümmert. Das ist der dritte Aspekt, den wir erreichen müssen: Glaubwürdigkeit.
Klingt nach Selbstfindungsprozess. Und der politische Gegner darf derweil nach Belieben walten und schalten?
Keineswegs, wir attackieren Senat und CDU doch, vor allem natürlich auf der parlamentarischen Bühne. Da machen wir beständig deutlich, welche Alternativen wir bieten zur Politik des Bürgermeisters und seines Senats. Der schließt Frauenhäuser, kürzt Kinderkuren oder spart an den Schulen, und wir zeigen auf, dass die hunderte von Millionen für die U4 in die HafenCity rausgeworfenes Geld ist, das dort besser angelegt wäre.
Wir tun dies auch gerade aktuell beim Volksentscheid für den Erhalt des LBK, den der Senat trotzdem verkaufen will. Da haben wir deutlich gemacht, dass eine solche Missachtung des Bürgerwillens unerhört ist. Deshalb haben wir auch die Initiativen und Begehren gegen den Verkauf der Wasserwerke, die Bildungsinitiative oder für eine gerechte Kita-Reform unterstützt.
Da könnte der Eindruck entstehen, die SPD opponiert vornehmlich über Volksbegehren. Ist das das richtige Instrument für eine politische Partei?
Die Opposition hat es immer schwer, etwas durchzusetzen, weil sie nicht die Mehrheit hat. Wenn es noch andere Möglichkeiten der Willensbildung und Überzeugungsarbeit gibt, wie Volksinitiativen und -begehren, dann unterstützen wir die selbstverständlich, wenn wir sie inhaltlich für richtig halten.
Es heißt aber Volksbegehren, nicht Parteienbegehren. Das könnte sich auch gegen die SPD wenden, wenn diese mal wieder in Hamburg regieren sollte.
Das dürfte 2008 der Fall sein, und dann werden wir keine Angst haben, wenn andere eine andere Politik vorschlagen. Dann müssen wir Überzeugungsarbeit für unsere Vorstellungen leisten. Gerade wegen wachsender Politikverdrossenheit ist es wichtig, die Menschen zu beteiligen. Sich darüber hinwegzusetzen, wie es der Beust-Senat beim LBK tut, fördert die Politikverdrossenheit und treibt die Menschen in die Arme von extremistischen Demagogen.
Ihr Ja zur Volksgesetzgebung hat also Bestand?
Selbstverständlich.
In der Bürgerschaft hat die SPD einen kämpferischen Fraktionsvorsitzenden, Michael Neumann, der sich gegenüber dem Bürgermeister und dem Senat eifrig als Wadenbeißer profiliert. Der Parteichef sitzt derweil in der sechsten Reihe auf der Hinterbank. Ist das eine optimale Arbeitsteilung?
Michael Neumann ist als Oppositionsführer der Gegenpart des Bürgermeisters, und er macht seine Sache sehr gut. Meine Aufgabe ist es, in der Stadt die Interessen der Partei zu vertreten. Das ergänzt sich, das funktioniert sehr gut.
Bürgermeister-Kandidat bei der nächsten Wahl kann aber nur einer werden: Der Parteichef Petersen?
Am wichtigsten ist es, die Menschen bis 2008 von der SPD wieder zu überzeugen. Wenn uns das nicht gelingt, bräuchten wir gar keinen Spitzenkandidaten. Wir werden aber einige gute Bewerberinnen und Bewerber um diese Position haben. Und wir werden dann die oder den mit den besten Chancen auf den Schild heben.