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Archiv-Artikel

Das zerrupfte Huhn

Der Verband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) feiert Geburtstag, der Kanzler spricht – auch über das lädierte Gesetz zur Fusionskontrolle?

von STEFFEN GRIMBERG

Für Gerhard Schröder ist heute Murmeltiertag. Am späten Nachmittag wird er seinen Blick wieder einmal über die wie aus dem Ei gepellten deutschen VerlegerInnen schweifen lassen und ihnen Sätze sagen wie: „Der zugespitzte Wettbewerb der Medien hat es mit sich gebracht, dass gerade kleinere oder mittlere Zeitungshäuser heute darauf angewiesen sind, verstärkt zu kooperieren oder zu wirtschaftlich funktionsfähigen Einheiten zu fusionieren.“ Dann könnte Schröder die Bereitschaft der Bundesregierung zur Erleichterung der Pressefusionskontrolle betonen – und sich beinahe fühlen wie am 29. September vor einem Jahr, als er in Berlin vor denselben Verlegern die gleiche Ansprache hielt. Mit zwei wesentlichen Unterschieden: Heute, zum 50. Geburtstag des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), spricht der Kanzler in Bonn. Und die mittlerweile von seinem Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vorgelegte Neufassung des entsprechenden Gesetzes gleicht einem zerrupften Huhn. Von einer „raschen Lösung“, die dem Kanzler vor einem Jahr vorschwebte, kann keine Rede mehr sein.

Denn zu Clements Entwurf hat nur eine Partei eine glasklare Haltung: die FDP. Dummerweise lehnt sie ihn komplett ab (siehe Interview). Er entzweit die Grünen, spaltet die CDU in zwei Lager. Und beim umstrittensten Punkt, der so genannten Altverlegerklausel, kippten vor gut einer Woche auch nicht ganz unwesentliche Teile der SPD selbst um. Die Klausel sieht vor, dass „marktbeherrschende Stellungen“ bis hin zum Zeitungsmonopol zulässig sind, wenn der Verkäufer („Altverleger“) einer Zeitung oder ein Dritter mindestens 25 Prozent der Anteile sowie bestimmte Rechte wie Mitsprache bei der Besetzung der Chefredaktion erhält. Dies fordere Strohmanngeschäfte förmlich heraus, erklärte schon früh Kartellamtschef Ulf Böge seine Opposition gegen den Clement-Entwurf. Für eine „derart weit gehende Öffnung der Pressefusionskontrolle“ gebe es keine „herausragende Begründung“, erklärte vor einer Woche (taz vom 18. 9.) auch der wirtschaftspolitische Fraktionssprecher Klaus Brandner. „Wir werden deshalb nach sinnvollen Alternativen […] suchen.“ Ebenso kritisch äußert sich jetzt der SPD-Medienpolitiker Hubertus Heil, der Clements Novelle bei der ersten Lesung im Bundestag noch umfänglich lobte.

Die VerlegerInnen werden verständnisvoll nicken – schließlich sind sie selbst zerstritten: Die Großverlage von WAZ bis Springer dominieren die Debatte, viele kleine und mittlere Verlage fühlen sich vorgeführt.

Immerhin: Kompromissbereitschaft hatten alle Politiker bei der Bundestagsdebatte signalisiert. Die vorgeschlagene Erhöhung der so genannten Aufgreifschwelle, ab der das Kartellamt Fusionsbegehren prüft, von heute 25 auf 50 Millionen Euro Unternehmensumsatz gilt allseits als vermittelbar. Doch nach dem frühen Tod der Altverlegerklausel will hier Clements Ministerium offenbar mehr retten, als zu retten ist: Nicht mehr ab 50 Millionen Euro Umsatz des neuen Gesamtunternehmens soll das Kartellamt verbindlich prüfen. Sondern nur, wenn die beteiligten Verlage allein schon 50 Millionen Umsatz machen. „Es muss klar sein, dass auch künftig der addierte Umsatz der beteiligten Unternehmen herangezogen wird“, fordert dagegen der FDP-Medienpolitiker Hans-Joachim Otto: „Sonst könnte man das Pressefusionsrecht gleich ganz abschaffen.“