: Rekord in Münster
Landesweit erreichen die Grünen in Münster ihr bestes Ergebnis – CDU-OB muss in die Stichwahl
MÜNSTER taz ■ Nach anderthalb Stunden Nervenkrimi wurde Christoph Strässer die Luft zu dick: „Ich muss mal vor die Tür“, ächzte der SPD-Kandidat und schlängelte sich durch das proppenvolle münsterische Rathaus nach draußen. Als er wieder reinkam und das Endergebnis auf der Leinwand erschien, sah sich Strässer der größten Überraschung seiner politischen Karriere gegenüber: Er darf gegen CDU-Amtsinhaber Berthold Tillmann um den Stuhl des Oberbürgermeisters kämpfen.
Mit 49,8 Prozent schrammte Tillmann so knapp wie unerwartet an seiner Bestätigung im ersten Wahlgang vorbei. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, gab das sonst meist strahlende Stadtoberhaupt sichtlich angesäuert zu Protokoll. Fast noch schlimmer für die CDU ist aber der Verlust ihrer komfortablen absoluten Mehrheit im Rat: Nur 42,7 Prozent der Münsteraner machten ihr Kreuzchen bei den Schwarzen, über elf Prozent weniger als 1999.
Ein Schock für die siegessichere CDU, die nun nicht mal mit der erstarkten FDP um Möllemann-Ehefrau Carola ungefährdet regieren könnte. Auf der Suche nach Gründen kamen Sieger und Verlierer zu den gleichen Schlüssen: Die prestigeträchtigen Bauprojekte, die die Christdemokraten im Alleingang durchdrücken wollten, seien bei den Münsteranern wohl doch nicht so gut angekommen. Speziell die umstrittene Tiefgarage unter dem Kreisverkehr am Ludgeriplatz dürfte jetzt vom Tisch sein.
Nur ein Grund, warum Münsters Grüne aus dem Jubeln gar nicht mehr herauskamen. Mit 19,4 Prozent fuhren sie das beste Ergebnis in ganz NRW ein, dazu holten sie erstmals zwei Direktmandate. Das macht selbstbewusst: Nicht weil sie für, sondern klar gegen Hartz IV aufgetreten seien, hätten die Grünen in Münster gepunktet, ging Vorstandssprecher Wilhelm Achelpöhler auf Konfrontationskurs zum Parteifreund Michael Vesper – der NRW-Kulturminister sah in der Wahlnacht nämlich die grüne Reformtreue als Garant des Erfolgs.
Jetzt winkt die CDU bereits sachte mit einem Koalitionsangebot. Dass die Grünen darauf eingehen, kann sich ernsthaft niemand vorstellen. Dass sie SPD-Mann Strässer bei der Stichwahl unterstützen, gilt bereits als ausgemacht. JÖRG GIERSE