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Archiv-Artikel

Auf das Absolute gehofft

Guido Lambrecht spielt am Hamburger Schauspielhaus die Rolle, von der viele Männer träumen. Sein gealterter Casanova schreibt allerdings seine Memoiren, Frauen tauchen nur in der Erinnerung auf

Frauen haben offensichtlich auch etwas von ihm zurückbekommen

Interview: Carolin Ströbele

Er war Spion, Philosoph und Lebenskünstler – doch sein Name steht vor allem für Verführung: Giacomo Casanova. In einem intimen Ein-Mann-Kammerspiel im Deutschen Schauspielhaus zeigt Regisseurin Friederike Czeloth einen Frauenhelden, der in die Jahre gekommen ist. Guido Lambrecht spielt die Titelrolle.

taz: Casanova war nicht der einzige Verführer seiner Art – warum ist gerade er bis heute so populär?

Guido Lambrecht: Er war unter all den Abenteurern dieser Zeit der bekannteste, weil er so viele Talente hatte. Er gehörte zu den Musketieren, war Spitzel für die Inquisition, ist steinreich geworden, weil er in Frankreich die Lotterie eingeführt hat. Und er war der Einzige, der sein Leben so detailliert beschrieben hat. Seine Memoiren sind auch ein spannendes Zeitdokument.

Regisseurin Friederike Czeloth sagt von ihm: Er war nie echter Philosoph, nie ein echter Künstler, er war nur als Liebhaber echt.

Das war sicher sein stärkstes Talent. Casanova war jemand, der die Frauen wirklich geliebt hat. Und der jedes Mal auf das Absolute gehofft hat. Er wollte auch ganz oft heiraten. Dieses Gefühl ist zwar dann immer sehr schnell umgekippt, es war aber im Moment immer wahrhaftig. Es gab nie Frauen, die sich über ihn beklagt haben. Sie haben offensichtlich auch etwas von ihm zurückbekommen.

Welcher Aspekt seiner Persönlichkeit war für dich am spannendsten?

Der Bruch in seinem Leben. Mit etwa 40 Jahren hat alles, was ihn ausmachte, nicht mehr so funktioniert. Seine Attraktivität ließ nach, es klappte nicht mehr so mit den Frauen. Er passte mit seinen rosa Kleidern, Edelsteinen und der Puderperücke nicht mehr in die Zeit.

Seinen Lebensabend verbrachte Casanova einsam auf einem Schloss in Böhmen.

Diese zwölf Jahre auf Schloss Dux, wo er sozusagen als lustiges Faktotum geduldet wurde, müssen die Hölle für ihn gewesen sein. Das Schlimmste für ihn war Langeweile. Die hätte ihn dort fast umgebracht, wenn er nicht angefangen hätte, seine Memoiren zu schreiben.

Welche Aktualität hat das Stück heute noch?

Die Brücke zum Jetzt war für uns, dass Casanova absolut darauf aus war, seine Bedürfnisse immer auf höchstem Niveau zu befriedigen. Ob es das Glücksspiel war oder der Drang, immer wieder die Verliebtheit in eine Frau neu zu erleben. Sobald irgendeine Form von Normalität oder Bindung einsetzte oder er sich festgefahren fühlte, ist er ausgebrochen und hat etwas anderes gesucht. Ich glaube, dass sich auch heute viele Leute nicht für die Belange anderer interessieren, sondern versuchen, für sich das Meiste, Beste und Größte zu erleben. Viele Leute führen jetzt ein Leben wie Casanova es damals getan hat.

Was für eine Beziehung hatte Casanova zu Frauen? War er glücklich oder war er eigentlich ein Getriebener?

Schon in der ersten Geschichte taucht der Satz auf: „Meine Eltern sprachen nie mit mir.“ Er ist bei seiner Großmutter aufgewachsen, seine Mutter – eine berühmte Schauspielerin – ist durch die Welt getourt. Er hat nicht viel mütterliche und väterliche Zuneigung bekommen. Dieser unerfüllten Liebe ist er wohl immer hinterhergelaufen.

Casanova wird über die Frauen definiert, im Stück kommt aber keine einzige Frau vor.

Ja, weil wir eigentlich von der Zeit in Dux ausgehen – und dort war er alleine. Er schreibt ja seine Memoiren, um die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.

Du spielst in der Gründgens-Loge vor einem Publikum von nur 20 Leuten.

Die Gründgens-Loge ist ein ähnlich abgeschiedener Ort wie Casanovas Turm auf Schloss Dux. Es wird in dem kleinen Raum mitunter sehr bedrückend, weil die Zuschauer so direkt mit der Person Casanova konfrontiert sind. Weder sie noch ich als Schauspieler können einander ausweichen. Das ist auch für mich eine ungewohnte Situation. Als Schauspieler habe ich ja sonst immer noch die Bühne als „Schutzraum“.

Hast du persönlich etwas von dem alten Verführer gelernt?

Ich bin gespannt, was die Reise durch die verschiedenen Stationen seines Lebens mit mir macht.

Premiere: 28.9., Deutsches Schauspielhaus Hamburg