: Alles Pudding, oder was?
Glücklich ohne Psychologie: Heute Abend liest Marco Carini im Schanzenbuchladen aus seiner Biographie „Fritz Teufel – Wenn‘s der Wahrheitsfindung dient“
Die erste Biographie, die über ein Mitglied der militanten Linken in der BRD geschrieben wurde, wollte keine sein. Peter Brückner stellte 1976 nicht die (psychische) Entwicklung Meinhofs ins Zentrum, sondern gerade die „Blockierung von Erfahrung“ durch den bundesdeutschen Staat, seine präventiven und prä-demokratischen Maßnahmen gegen gesellschaftliche Innovationen (Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse).
Nicht aller der inzwischen erschienenen Biographien und Autobiographien ehemaliger Mitstreiter Meinhofs verweigern derart konsequent eine Ableitung von Handlungsmotiven aus individuellen Charaktereigenschaften. Der langjährige Mitarbeiter dieser Zeitung Marco Carini hat glücklicherweise die gesellschaftlichen Begleitumstände in den Vordergrund seines Buches über einen der berühmtesten Kommunarden und späteren Angeklagten der Bewegung 2. Juni gestellt: Fritz Teufel – Wenn‘s der Wahrheitsfindung dient.
Aus der Not, mit dem Hauptdarsteller unzähliger Gerichtspossen nicht selbst sprechen zu können, weil der sich seit sechs Jahren jedem Journalisten verweigert, hat Carini eine Tugend gemacht: Die Distanz helfe schließlich dabei, „mit gebotenem Abstand“ die Lebensgeschichte des Porträtierten nachzuzeichen. Und wozu das? Um „anhand von Fritz Teufels Lebensweg auch ein Stück deutscher Zeitgeschichte und Geschichte des linken Widerstands aus einem anderen Blickwinkel heraus zu erzählen, als dies bislang geschehen ist“.
Doch die kurzen Kapitel über die Stationen in Teufels Leben – Familie, Studium, Kommune 1, unzählige Joints und Schülerinnen, gescheitertes Puddingattentat, erste Knastererfahrungen, militante Aktiönchen, erneute Inhaftierung und Freilassung 1980 – versuchen gar nicht, die Perspektive Teufels nachzuvollziehen. So bleibt der angekündigte „andere Blickwinkel“ der des Journalisten Marco Carini. Im Tonfall gelegentlich süffisant hat er zusammengetragen, was andere Bücher, Artikel und Aussagen von Familienmitgliedern zum Thema hergeben.
Herausgekommen ist ein ausführlicher Bericht. Fragen über die historische und aktuelle Bedeutung linker Strategien zwischen Spaß und Ernst, die Teufel einmal repräsentiert hat, müssen sich die LeserInnen selbst stellen. JANA BABENDERERDE
Lesung heute, 20 Uhr, Buchhandlung im Schanzenviertel, Schulterblatt 55; Marco Carini: Fritz Teufel – Wenn‘s der Wahrheitsfindung dient, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2003, 248 S., 16,50 Euro