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Archiv-Artikel

Die krankeste Vierergang wird Meister

Vier Berliner gewinnen Deutsche Meisterschaft im Streetbasketball. Nun dürfen sie im Schlabberlook nochmals zur WM

Sie wirken kein bisschen aufgeregt. Das wäre auch ziemlich uncool für ein Streetballteam aus Berlin. Streetball ist mehr als eine Sportart. Streetball ist eine Weltanschauung. Streetball ist ein Spiel, das weitergeht, auch wenn die sportliche Auseinandersetzung längst zu Ende ist.

Am Wochenende fand in Münster die zehnte offizielle deutsche Meisterschaft im Streetbasketball statt. Das unaufgeregte Team reiste als Titelverteidiger an. Sie wollten wieder die Ankommer sein beim Publikum, so wie letztes Jahr in Schwerin, wo sie als einziges Team nicht in klassischer Basketballkleidung aufliefen, sondern in Schlabberlook und Baumwollmütze. Sie wollten wieder die Besten sein, die Krassesten oder auf gut Hiphop-Denglish „The Illest“. So haben sich die vier Basketballer genannt, als sie sich vor zwei Jahren zum Streetballteam formiert haben.

Doch Streetball ist eben nicht nur eine Jugendkultur, bei der es um Outfit und Hiphop geht. Streetball ist ein ernsthafter Sport geworden. „The Illest“, das sind die Gebrüder Konstantin und Nico Linnartz sowie Michael Jankowski und Lino Janke – alle Anfang 20, alle um die zwei Meter groß. Sie sind keine Streetgang, sie haben vielmehr über ihren Verein, den DBV Charlottenburg zueinander gefunden.

„Klar, habe ich immer schon auch Freiluft gespielt“, sagt Nico Linnartz, der Defense-Spezialist der Gang. „Das macht ja auch mehr Spaß“, fällt ihm sein Mannschaftskamerad Michael Jankowski ins Wort, „da gibt es auch keinen Trainer, der einem Sachen vorgibt, die man selbst ganz anders machen würde.“ Sie kennen sich so gut, dass sie genau wissen, wie sie zu agieren haben. „Wir spielen sowieso anders als alle anderen, viel krasser.“ Riskanter? „Was heißt riskant? Da ist kein Risiko dabei, wir treffen sowieso immer, wenn wir werfen.“ Mangelndes Selbstbewusstsein kann man Jankowki kaum unterstellen.

„The Illest“ sahen sich vor dem Turnier selbst als Favoriten. Höchstens zwei, drei andere Teams seien halbwegs gleichwertig. Sie fürchteten vor allem die „Discoboys“ („bescheuerter Name“), die mit einem Zweitligaspieler und zwei Akteuren aus der ersten Regionalliga antreten wollten. Der DBV Charlottenburg spielt lediglich in der zweiten Regionalliga, „aber wir wollen sowieso aufsteigen“. Speziell vorbereitet haben sich die Berliner nicht. Als Titelverteidiger waren sie ohnehin qualifiziert, so dass sie sich die Berliner Streetballausscheidung sparen konnten. Doch die, so sagen sie, hätten sie ohnehin gewonnen. In Münster haben sie also die ersten Streetballmatches der Saison zusammen gespielt.

Das Spiel „Drei gegen Drei“ auf einen Korb ist wesentlich härter als ein gewöhnliches Basketballspiel in der Halle. Es gibt keinen Schiedsrichter. Wer gefoult wird, muss das anzeigen. „Da bekommt man schon einmal einen Ellenbogen in den Magen und zieht dennoch auf den Korb“, erklärt Nino Linnartz. Schließlich wolle man – gerade wenn viele Zuschauer da sind – nicht als Weichei gelten. Wenn ein Spieler ein Foul anzeigt, die gegnerische Mannschaft das aber abstreitet, kommt es nicht selten zu harten Auseinandersetzungen: „Manchmal gehen die richtig aufeinander los.“ Auch „The Illest“ sind keine braven Buben. „Du weißt ja“, wendet sich Jankowski zu seinem Kumpel, „ich muss jedes Spiel gewinnen. Unbedingt! Anders kann ich gar nicht.“

In Münster hat es geklappt. „The Illiest“ haben ihren Titel verteidigt. Mit 16:12 besiegten sie gestern im Finale die „Mo’Slams“ aus Alpen. Nun dürfen sie noch einmal zur Streetball-WM fahren. Im italienischen Caorle hatten die Berliner in diesem Jahr großes Verletzungspech. Nach einem Sieg gegen den späteren Gewinner aus Litauen, lief nicht mehr viel. „Wir wollen zeigen, dass wir mehr drauf haben.“

Einen Ausrüstervertrag mit „Mazine“ haben die Charlottenburger inzwischen auch. Sogar Adidas hat ihnen einmal ein Angebot gemacht. „Doch die wollten bestimmen, was wir anziehen sollen.“ Jetzt können sie aus dem Katalog frei auswählen. Schlabberlook und Baumwollmützen. „The Illest“ in normalen Basketballklamotten? Das geht nun wirklich nicht. Streetball ist schließlich anders, the illest shit eben. ANDREAS RÜTTENAUER