piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Braut, die sich nicht traut

Brandenburgs SPD kippt Zeitplan für die wenig geliebte Länderfusion. Das Projekt gilt damit als gestorben. Grünen-Fraktion wirft beiden Landesregierungen vor, zu wenig dafür geworben zu haben

VON STEFAN ALBERTI

Auch die letzte Hoffnung auf eine baldige Länderfusion Berlins und Brandenburgs ist dahin. Führende Brandenburger SPD-Politiker sprachen sich jetzt dafür aus, den in Koalitionsverträgen festgelegten Zeitplan aufzugeben. Der sah für 2006 eine Volksabstimmung und für 2009 die Vereinigung beider Länder vor. Eine Verschiebung aber gilt im Roten Rathaus als sichere Beerdigung des Projekts. Eine erste Volksabstimmung über die Fusion war 1996 am Widerstand der Brandenburger Bevölkerung gescheitert. Die Grünen machen mangelndes Engagement beider Landesregierungen für das Fusions-Aus verantwortlich.

Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Landeschef Matthias Platzeck hatte als erster Spitzenpolitiker Ende 2003 den Zeitplan öffentlich angezweifelt. Skepsis am Erfolg des Projekts gab es seit Jahren. Das SPD-Manöver schien damals politisch nachvollziehbar: Die Sozialdemokraten wollten nicht ihre Wahlchancen mindern, indem sie sich auf eine in allen Umfragen wenig geliebte Fusion festlegten. Auch die anderen großen Parteien blendeten das Thema im Wahlkampf weitgehend aus. Allein die Grünen versuchten, die Fusion mit einem eigenen Verfassungsentwurf auf der Tagesordnung zu halten, drangen damit aber kaum durch.

Hoffnungen richteten sich darauf, SPD und CDU würden sich zumindest nach der Wahl wieder offen für eine Fusion zum geplanten Zeitplan aussprechen. Danach sieht es aber während der laufenden Koalitionsgespräche nicht aus (siehe Bericht unten). „Wer auf Teufel komm raus am Zeitplan festhält, der will die Fusion endgültig begraben“, sagte Brandenburgs SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness der taz. Ähnlich wurde der neue Fraktionschef Günter Baaske zitiert. Er selbst sei ein Befürworter der Fusion, sagte Ness. In der Bevölkerung aber werde das Projekt als „kalt und technokratisch“ empfunden und habe keinerlei Chancen auf einen Erfolg.

Neben einer noch aus DDR-Zeiten rührenden Angst vor Berliner Dominanz – „die Bananen gingen schon immer in die Hauptstadt“ –, schrecken vor allem die derzeit 54 Milliarden Euro Schulden, die Berlin in die Länderehe mitbringen könnte. Zwar hofft Berlin auf Entschuldung durch den Bund. Ein dafür notwendiges Urteil des Verfassungsgerichts wird jedoch erst für Frühjahr 2005 erwartet.

Während die Brandenburger SPD eine Abstimmung 2006 mit einer Beerdigung gleichsetzt, denken die Berliner Sozialdemokraten Gleiches über eine Verschiebung: Wenn nicht 2006, dann sei die Sache auf Jahrzehnte begraben, weil sich in Brandenburg Strukturen und Heimatgefühl zunehmend verfestigen würden. Als Beispiel dient Bremens Abneigung, in Niedersachsen aufzugehen. Die PDS gibt sich offener, ihr Landeschef Stefan Liebich regte schon vor Monaten an, die Volksabstimmung wegen der ablehnenden Haltung in Brandenburg zu verschieben.

Offiziell hält der Senat an der Fusion fest und will auf die Brandenburger Landesregierung zugehen, sobald die dortigen Koalitionsgespräche vorüber sind. Senatssprecher Michael Donnermeyer baute aber schon vor: „Wir machen ja alles, aber man kann eine Heirat nicht erzwingen.“

Donnermeyer wies damit auch Kritik der Berliner Grünen zurück. Der Senat habe „zu wenig getan, um die Ängste in Brandenburg vor der Berliner Schuldenlast zu zerstreuen“, kritisierte ihr Fraktionschef Volker Ratzmann.

Die Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer und Richard Stöss von der Freien Universität stellten schon 2002 in einer Studie fest: Nur eine rechtzeitige Kampagne könne ein Scheitern wie 1996 verhindern. Die Fusion müsse zur „Herzensangelegenheit der Leute“ werden. Ratzmann wirft beiden Landesregierungen vor, genau hier versagt zu haben: Sie hätten sich jahrelang beim Thema Fusion versteckt, statt offensiv und mit Engagement dafür zu werben. „Und jetzt beklagen sie das Ergebnis ihrer eigenen Untätigkeit.“