piwik no script img

Archiv-Artikel

pop komm raus Newest Economy

Neben schöner Musik und erhellenden Podiumsdiskussionen bietet die Popkomm natürlich auch herrliche Möglichkeiten, dem Fachpublikum pfiffige Businessideen zu präsentieren. Dieses Mal werden unter anderem Vorschläge zur umfassenden Fünft- und Sechstverwertung des gesamten Archivmaterials im Klingelton- und DVD-Geschäft erwartet. Doch seit die Musikindustrie sich per Glaubensgrundsatz darauf geeinigt hat, dass allein die Musikpiraterie an den rückläufigen Verkaufszahlen schuld ist, gilt das Hauptaugenmerk dem Internet-Download. Legale Anbieter sollen jetzt den illegalen Plattformen den Rang ablaufen. Apple hat es mit itunes.com erfolgreich vormachen können, nun möchten alle mitmachen.

Unter anderem auch der allseits beliebte DJ Paul van Dyk, der mit seinem zutiefst unverständlichen Hit „Wir sind wir“ gerade einen Nerv bei den sich zutiefst unverstanden fühlenden deutschen Massen treffen konnte. Doch wie man hört, soll sich Paul van Dyk nicht nur für deutsche Geschichte interessieren, sondern auch für elektronische Musik. Aus diesem Grund hat er nun die Seite Radiostation.com ins Leben gerufen, eine Art Internetradio, das nur Stücke spielt, die auch gegen eine noch nicht näher bezifferte Gebühr aus dem Netz auf die Festplatte zu ziehen sind. Der Trend gehe vom umfassenden zum spezialisierten Downloadportal, ließ van Dyk verlautbaren. Zwar war bislang weder bekannt, dass das illegale Downloaden im Bereich elektronischer Musik überhaupt ein Problem ist, noch wusste man, dass in dieser Hinsicht ein nennenswerter Bedarf besteht. Dennoch ist van Dyks Elektronik-Portal natürlich zu begrüßen, weil ihm wahrscheinlich viele andere tolle Portale folgen werden. Zum Beispiel das HipHop-Portal, das Schlager-Portal oder das Klassik-Portal – allein der Secondhandverkauf von gebrauchten MP3s wird ungerechterweise untersagt bleiben.

Gerade für Berlin ist das eine gute Nachricht, könnten doch all die Büroetagen wieder bezogen werden, die seit dem ersten Start-up-Boom verweist sind. Dies würde dem ortsansässigen Büro- und Designermöbelhandel Auftrieb geben, ebenso den Feng-Shui-Beratern, die wissen, welche Computer in welcher Zimmerecke besonders gut kommen. Mit der Popkomm in Berlin hilft eine schwächelnde Branche einer schwächelnden Stadt. HARALD PETERS