: Ein neuer Oberlehrer
Ralf Rangnick, der vor einem halben Jahr bei Hannover 96 entlassen wurde, soll den FC Schalke 04 aus der Krise führen – bis jetzt hat er als Trainer noch keine großen Erfolge erringen können
AUS BERLIN ANDREAS RÜTTENAUER
Ein halbes Jahr lang hat man wenig gehört von Ralf Rangnick. Zwar wurde auch sein Name immer dann genannt, wenn einer der Vereine, bei denen es gerade nicht so gut gelaufen ist in der Liga, einen Übungsleiter vor die Tür gesetzt hatte, selbst als Zuarbeiter von Jürgen Klinsmann wurde er kürzlich gehandelt. Aber Rangnick winkte stets ab. Er fühlte sich zu Höherem berufen. Nachdem er vor gut einem halben Jahr von Hannover 96 entlassen worden war, verkündete er, dass er gerne bei einem Verein mit „größerer Perspektive“ arbeiten wolle. Die sah er wohl weder bei einem der notorischen Abstiegskandidaten noch beim DFB. Jetzt ist er Trainer von Schalke 04 – offensichtlich glaubt er dort ebenjene gesuchte Perspektive gefunden zu haben.
Dabei ist der Meister der Herzen von einst schon lange keine Vorzeigeadresse mehr im deutschen Fußball. Der Club steckt in finanziellen Schwierigkeiten – sogar über den Verkauf des Stadions wurde schon nachgedacht – und sportlich will den ambitionierten und aufgerüsteten Schalkern auch nicht so recht etwas gelingen.
Als Rudi Assauer zu Beginn der vorigen Saison Jupp Heynckes als neuen Trainer vorgestellt hat, strahlten die Verantwortlichen um die Wette. Doch schon bald musste man feststellen, dass ein Trainer auch nichts machen kann, wenn der Kader nicht gut genug ist. Nun investierte Assauer in die Mannschaft: Ailton, Mladen Kristajic und Marcelo Bordon wurden verpflichtet – und wieder wurde in die Kameras gegrinst. Dann stellte man fest, dass die Verpflichtung guter Spieler nichts bringt, wenn der Trainer und die Mannschaft nicht in der Lage sind zu kommunizieren. Ergo: Heynckes wurde entlassen. Das legendäre Schalker Chaos schien wieder auszubrechen. Die Mannschaft hat vier von sechs Bundesligaspielen verloren. Aber Ralf Rangnick sieht immer noch eine große Perspektive.
Schon am Donnerstag wird er das erste Mal an der Linie stehen, im Uefa-Cup-Spiel bei Liepajas Metalurgs. Die Mannschaft wird eventuell nicht schlecht staunen, wenn sie feststellt, dass ein ähnlicher Typ wie sein Vorgänger in der Kabine zu ihnen spricht. Denn beide, Heynckes und Rangnick, treten nicht selten als Fußballoberlehrer mit professoraler Attitüde auf.
Heynckes immerhin hatte als Trainer jede Mange Titel gesammelt, bevor er anfing in Schalke zu dozieren. Bei Rangnick ist das anders. In Stuttgart ist er ebenso gescheitert wie in Hannover. Sein größter sportlicher Erflog ist der Aufstieg mit Hannover 96 in die Bundesliga. Ob das die schwierigen Schalker Spieler zu einem wie Rangnick aufschauen lässt, darf durchaus bezweifelt werden. Seine stärksten Auftritte als Bundesligatrainer hatte Rangnick übrigens nicht an der Seitenlinie. Nach einer 0:1-Niederlage in Mönchengladbach stand sein Rauswurf bei Hannover fest. Die Fans skandierten: „Außer Rangnick könnt ihr alle gehen!“ Der Besungene behielt die Fassung und erwiderte: „Egal, was passiert, ihr müsst hinter der Mannschaft stehen.“