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Archiv-Artikel

„Ganz legales Raubrittertum“

Am Wochenende lud die Bankenskandal-Initiative zum Immobilien-Spaziergang durch den Sumpf ein – die Westberliner City. Die Stimmung bei den wenigen entschlossenen Aktivisten ist gut, trotz nur verhaltener Empörung bei Bürgern und Politikern

von WALTRAUD SCHWAB

Zum „Immobilien-Spaziergang“ in der Westberliner City hatte die Bankenskandal-Inititative am Samstag geladen. Etwa 200 Menschen kamen. Wenig Jüngere, viel Ältere. Lehrer sind darunter, Erzieher, Verbeamtete, die schon am Wittenbergplatz, wo man sich trifft, jeden KaDeWe-Tüten-Träger um die Unterschrift zum Volksbegehren bitten. Und sie von vielen bekommen.

Die Stimmung ist gut bei dem Häuflein Aufrechter. Entschlossen sind sie, angesichts der leeren Bürogebäude, an denen vorbeiflaniert wird. „Wie soll ich einem Ladendieb gegenüber rechtfertigen, dass er im Wiederholungsfall ins Gefängnis muss, angesichts des modernen, ganz legalen Berliner Raubrittertums“, fragt ein Bewährungshelfer. Die soziale Infrastruktur in Berlin werde zerschlagen. „Welche verantwortungsvolle Arbeit soll man mit null Mitteln noch machen können?“, meint ein Erzieher. Mit seinen Protestplakaten auf dem Bauch, posiert er vor den wartenden Autos. „Man hat sich in Deutschland darauf einschwören lassen, dass gespart werden muss“, sagt ein Lehrer, „und übersieht, dass Sparen auf Bundesebene und auf Landesebene zwei paar Schuhe sind.“ Dass Schulen in Berlin in erbarmungswürdigem Zustand seien, das habe die Berliner Baumafia und die politische Korruption mit zu verantworten.“

Die Wut bei den Demonstrierenden ist gewaltig. Die meisten haben 68er-Erfahrung. „Wer, wenn nicht wir?“, fragt eine. „Heute, mit 60 kann ich ruhig eine Lippe riskieren.“

Trotzdem: Viele sind das nicht, die dem Aufruf folgten, sich die Gebäude anzuschauen, die mit dem größten Wirtschaftsskandal Berlins etwas zu tun haben. Die CDU-Zentrale beispielsweise, die auf einem Grundstück steht, das im besten Wortsinne unter den Akteuren des Bankenskandals verschachert wurde. Oder die Berlin-Hyp, für deren faule Kredite das Land heute zahlt. Bauunternehmer, Bankmanager, Spekulanten und Politiker sind in den Bankenskandal verwickelt. Insidertrading, Subventionsbetrug, Begünstigung, Größenwahn lauten die Vorwürfe.

Als das Klüngelwirtschafts-Szenario platzte, war es durch Bankzusammenlegungen mit der Sparkasse, die dem Land gehörte, soweit gediehen, dass die finanziellen Risiken, die durch Fehlspekulationen und faule Kredite entstanden waren, nur noch vom Land – also den Steuern – gedeckt waren. Für über 21 Milliarden Euro bürgte das Abgeordnetenhaus deshalb vor einem Jahr mitder so genannten Risikoabschirmung. Es wird davon ausgegangen, dass davon ungefähr acht Milliarden in den nächsten 20 Jahren bezahlt werden müssen. Dieses Jahr wurden 300 Millionen Euro bereitgestellt. Geld, das nun Kitas, Schulen, Projekten, den Universtiäten oder Krankenhäusern fehlt.

Bis Ende des Jahres sammelt die Bankenskandal-Initiative Unterschriften für ein Volksbegehren zur Aufhebung der Risikoabschirmung. 25.000 müssen es sein, damit die nächste bürokratische Hürde für den Bürgerentscheid genommen werden kann. Etwa 10.000 sollen noch fehlen, so Peter Grottian, der Frontmann der Initiative, sonst Politikprofessor an der FU. Ein mühsames Geschäft. Zumal die Gewerkschaften und die Grünen, trotz wohlwollender Zustimmung zum Volksbegehren, sich nicht sehr ins Zeug dafür legen.

Unstimmigkeiten mit den Forderungen der Bankenskadal-Ini seien die Gründe, meint Barbara Österheld von Bündis 90/Die Grünen. Die Initiative will, dass die Bankgesellschaft in die Insolvenz zu führen sei. Dies, so Österheld, hätte zur Folge, dass der Berliner Haushalt sofort mit mehreren Milliarden Euro zur Kasse gebeten würde. Das käme teuer. Ihr wäre eine unspezifische Formulierung à la „Zerschlagung der Bankgesellschaft“ lieber. Gut, an den Tischen der Partei läge die Unterschriftenliste ja aus. Hinhaltetaktik das. Von Politprofis – parlamentarischen und außerparlamentarischen – wäre mehr zu erwarten.