: Auto-Krauter vor dem Aus
Die als Konjunkturhilfe gedachte Abwrackprämie hat auch im Norden nicht nur zu Missbrauch, sondern auch zu Umsatzeinbrüchen bei Gebrauchtwagenhändlern und Autoexporteuren geführt
Mit 1,5 Milliarden Euro fördert die Bundesregierung seit Ende Januar die Abwrackprämie. Mehr als die Hälfte der 600.000 auszahlbaren Prämien sind inzwischen vergeben. Pro Tag werden durchschnittlich 6.000 neue Förderanträge gestellt. Bei anhaltender Nachfrage könnte der Fördertopf schon in den nächsten Monaten erschöpft sein. Dann könnten sich die Rollen von Verlierern und Gewinnern der Subvention wieder verschieben. Die staatliche Förderung hat laut dem Verband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes 40 Prozent der Kunden ihren Kauf vorziehen lassen. Nach Auslaufen des Konjunkturprogramms müssen die Autohäuser dann wieder mit Absatzeinbrüchen rechnen. JV
VON JOSEPH VARSCHEN
Für Gebrauchtwagenhändler bildet das aktuelle Konjunkturpaket den Sargnagel. Zwischen den Fronten von Wirtschaftskrise und Abwrackprämie kämpfen sie derzeit um ihre Existenz. „Du willst die Krise sehen?“, fragt Sayed Ahmadi: „Hier, so sieht die Wirtschaftskrise aus!“ Er zeigt auf die menschenleere Straße des riesigen Autohofs im Hamburger Industriegebiet Rothenburgsort. Auf der Fläche mehrerer Fußballfelder stehen Tausende Autos. Die meisten Fahrzeuge sind für den Export nach Westafrika und Osteuropa bestimmt. „Vor ein paar Monaten waren die Wege hier voll von Kunden. Jetzt kommt keiner. Der Markt ist tot“, sagt Ahmadi, der für seine Exportfirma eine Parzelle auf dem Autohof angemietet hat.
Die Wirtschaftskrise ist auch in den Abnehmerländern zu spüren: Die ausländischen Käufer bekommen in ihren Heimatländern keine Kredite mehr. „Vor ein paar Wochen habe ich zwei bis drei Container pro Tag verschifft, jetzt verkaufe ich maximal ein Auto am Tag“, sagt Souzu, dessen Firma sich auf den Export nach Osteuropa spezialisiert hat. Folglich bleiben die Exporteure auf ihren Karossen sitzen. Denn eins ist sicher: Ein Gebrauchtwagen der weniger als 2.500 Euro wert ist, wird in Deutschland zurzeit nicht verkauft.
Abgesehen von der Krise drückt auch die Abwrackprämie die Preise der alten Fahrzeuge. Denn die vergünstigten Neuwagen senken auch die Preise der gebrauchten und damit die ohnehin kleinen Margen der Exporteure. Die Händler können mit der staatlich unterstützen Rabattschlacht der Autohäuser nicht mithalten.
Zusätzlich sinkt der Wert der Autos durch die Flut von Ersatzteilen, die durch die Abwrackprämie verursacht wird. Jedes der zu verschrottenden Autos wird ausgeschlachtet, bevor es in die Schrottpresse kommt. Die entnommenen Teile werden weiterverkauft und erhöhen künstlich das Angebot. „Ja, Ersatzteile sind billig, aber alle Deutschen lassen ihre Autos momentan blind zu Würfeln pressen. Über den eigentlichen Wert des Wagens oder eine Reparatur wird gar nicht erst nachgedacht“, sagt Farim Rachid, Mechaniker einer kleinen Werkstatt in Rothenburgsort. „Wenn das so weitergeht, dann können wir bald dichtmachen.“
Wer durch die Blechreihen des Autoplatzes geht, wird von den Verkäufern misstrauisch beobachtet. Denn die Abwrackprämie lockt die Geschäftsmänner mit einem unwiderstehlichen, aber unrechtmäßigen Angebot. Nämlich einfach doppelt kassieren: erst die Prämie einsacken und den Gebrauchten anschließend nicht in die Schrottpresse, sondern in einen Schiffscontainer verfrachten und ins Ausland verkaufen.
Die Strukturen für diese Praxis sind gegeben: Allein im Jahr 2008 wurden 3,5 Millionen Autos aus dem Fahrzeugregister gelöscht. Verschrottet wurde nur jedes fünfte. Wer auf dem Autohof Fotos macht, bewegt sich auf sensiblen Terrain. Die Aufseher sind nervös und sensibel, und man sollte sich nicht erwischen lassen.
Der Verband deutscher Autoverwerter Pinneberg hat bereits bei der Einführung der Abwrackprämie vor massiven Missbrauch gewarnt. Unter den bundesweit 1.300 Verwertungsbetrieben sei mit 200 „schwarzen Schafen“ zu rechnen. Diesen Missbrauch der Umweltprämie will man künftig eindämmen: Die Prämie wird jetzt nur noch gegen Vorlage des alten, entwerteten Fahrzeugbriefs gezahlt.
„Ach, das nützt gar nichts. Die fälschen die Papiere oder flexen die Nummern aus dem Fahrgestell“, sagt einer der Hauptmieter vom Autohof, „die Schrottis haben Hochkonjunktur und machen doppeltes Geschäft.“
130.000 Autos werden jährlich vom Hamburger Hafen nach Westafrika exportiert. Kontrollieren kann man Abwrackbetrüger allerdings nur schwer. Abgesehen davon wird der Warenexport vom Zoll überprüft. Für die Abwrackprämie dagegen ist die Umweltbehörde zuständig. Diese Doppelnutzung der Konjunkturhilfe wird angesichts massiven Preisverfalls für Stahl offenbar rege genutzt. Der Bund deutscher Kriminalbeamter geht von 100.000 Fällen aus.
„Die Autos weiterzuverkaufen ist doch verboten“, versichert ein Mitarbeiter einer nahe gelegenen Autoverwertung, dass gehe ja auch nicht ohne die Papiere, sagt er dann treuherzig. Seinen Namen nannte er vorsichtshalber nicht.