Bosniens Expräsident gestorben

Der 78-jährige Alija Izetbegović war der markanteste Vertreter der bosnischen Muslime. Den Krieg um sein Land wollte er verhindern. Den Kompromiss von Dayton akzeptierte er

SARAJEVO taz ■ Alija Izetbegović ist tot. Der 78-Jährige erlag gestern einem Herzleiden. Mit Izetbegović stirbt der markanteste politische Führer der bosnischen Muslime während des Jugoslawienkrieges 1992–95.

Alija, wie ihn seine Anhänger nannten, war zu Beginn des Krieges Vorsitzender des dreiköpfigen Staatspräsidiums des damals jugoslawischen Bosnien-Herzegowina und führte die muslimische Partei der Demokratischen Aktion SDA. Als Mitglied der „Jungen Muslime“ saß er im kommunistischen Staat zweimal mehrere Jahre im Gefängnis. Bei den ersten Wahlen im Mehrparteiensystem wurde er 1990 mit seiner SDA stärkste Kraft der Muslime.

Als in Kroatien schon gekämpft wurde, versuchte Izetbegović, Kampfhandlungen von seiner Republik fernzuhalten. Er weigerte sich, wie die serbischen und kroatischen Nationalisten Milizen zu bewaffnen und hoffte, den Krieg durch internationale Garantien zu verhindern. Nach einer von der EU geforderten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Landes im Februar 1992 spitzte sich die Lage jedoch zu. Obwohl fast die Mehrheit mit Ja stimmte, erkannten die serbischen Nationalisten unter Radovan Karadžić das Ergebnis nicht an. Die Serben traten für einen Verbleib Bosniens in Jugoslawien ein und begannen ab April, Bosnien militärisch zu besetzen und die nichtserbische Bevölkerung zu vertreiben, was 200.000 Muslime und Kroaten das Leben kostete.

Zu den größten Enttäuschungen Izetbegović’ gehörte der Schwenk der kroatischen Politik unter Präsident Franjo Tudjman, der zusammen mit Serbiens Präsidenten Slobodan Milošević die territoriale Aufteilung Bosnien-Herzegowinas verhandelte und 1993 den Angriff der bosnischen Kroaten auf die muslimischen Gebiete befahl. Erst nach dem Massaker von Srebrenica im Juli 1995 griff die Nato in Bosnien ein. Mit den Verhandlungen in Dayton im November 1995 wurde der Krieg mit einem Kompromiss beendet, der die territorialen Eroberungen der serbischen Seite bestätigte, das Land faktisch in drei Teile zerriss, dennoch die territoriale Integrität bestätigte. Mitte der 90er-Jahre zog sich Izetbegović aus der Politik zurück, blieb jedoch im Hintergrund aktiv. ERICH RATHFELDER