WAHLERFOLG BLOCHERS: DIE SCHWEIZ IST SCHON LÄNGST KEINE IDYLLE MEHR
: Den Populisten entzaubern

Die politische Lage der Schweiz ist seit dem Wahlsieg der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) von Christoph Blocher häufig mit der in Italien oder Österreich verglichen worden: Dort zogen Rechtspopulisten schon in die Regierung ein – das könnte der Schweiz im Dezember auch drohen. Doch ist die politische Stabilität der Alpenrepublik keineswegs gefährdet.

Schon längst ist die Schweiz nicht mehr die Idylle, als die sie gerade in Deutschland immer noch wahrgenommen wird. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Abbau öffentlicher Dienstleistungen sowie des Sozialnetzes haben auch hier längst zur einer Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen geführt. Für das Mehr an politischer Stabilität, die, verglichen mit anderen Staaten Europas, in der Schweiz noch immer herrscht, ist nicht nur die „Zauberformel“ verantwortlich, nach der das Land seit über 50 Jahren von einer Vier-Parteien-Koalition regiert wird. Mindestens ebenso wichtig für die Integrationsfähigkeit der Schweizer Demokratie sind die häufigen Volksabstimmungen über Sachthemen, die auch den Abstimmungsverlierern zumindest die Befriedigung der Teilnahme an der politischen Meinungsbildung vermitteln. Drittens haben bei den Wahlen nicht nur die Rechtspopulisten zugelegt, sondern auch Sozialdemokraten und Grüne, obwohl oder gerade weil sie in der Schweiz in fast allen innen- wie außenpolitischen Fragen ein deutlich linkeres Profil haben als ihre Schwesterparteien anderer europäischer Staaten.

Und schließlich: So verwerflich die fremdenfeindlichen Kampagnen der SVP auch sind, so unseriös ihre Forderungen nach Steuersenkungen und so teilweise verlogen ihre Argumente gegen einen Schweizer EU-Beitritt: Blocher ist in seinem Gefährdungspotenzial für die Demokratie nicht mit Haider zu vergleichen und schon gar nicht mit Berlusconi. Die anderen Parteien wären klug beraten, ihn durch Wahl in die Regierung endlich einmal in konkrete Verantwortung zu nehmen. Danach hätten sie vier Jahre Zeit, den Populisten zu entzaubern. ANDREAS ZUMACH