: „Da könnte man auch Saddam heilig sprechen“
Rudolf Schermann, Chefredakteur der kritischen katholischen Zeitschrift „Kirche In“, findet die Seligsprechung von Karl I. unmöglich
taz: Sie kritisieren die Seligsprechung von Kaiser Karl.
Rudolf Schermann: Es heißt, dass er sich für den Frieden eingesetzt habe. Aber das war in einer Situation, wo es bereits aussichtslos war, dass die Monarchie gewinnt. Er hat ausdrücklich von einem Siegfrieden gesprochen: „Wenn unsere tüchtige Armee den Sieg errungen hat, dann werden wir uns freuen über die Früchte des Friedens.“ Das Zweite ist, dass, nachdem es an der Isonzofront elfmal nicht gelungen ist, den Durchbruch zu schaffen, Giftgas eingesetzt wurde. Die jungen Italiener sind elend zugrunde gegangen. Gegen den Vorwurf, die österreichischen Fabrikate seien nicht stark genug, hat Karl sich verteidigt, unser Gas sei sehr wirksam gewesen. Wie kann man einen Menschen selig sprechen, der den Einsatz solcher Waffen rechtfertigt, die nach der Haager Landkriegsordnung längst verboten waren? Es ist vollkommen unbegreiflich für mich als Priester, dass so ein Mann selig gesprochen wird. Dann könnte man von der muslimischen Seite den Saddam heilig sprechen, der hat auch Giftgas eingesetzt gegen die Kurden, war aber ein gläubiger Muslim.
Der katholische Heiligenkalender ist aber bevölkert von Kriegsherren.
Das stimmt, dass in früheren Zeiten Leute heilig gesprochen wurden, die die so genannten Heiden umgebracht haben. Man sollte aber annehmen, dass man inzwischen gelernt hat. Selbst der Papst hat ja ein Reuebekenntnis abgelegt für die vergangenen Sünden der Kirchengesellschaft. Allerdings hat er nie zugegeben, dass die größten Verbrecher unter den Päpsten zu suchen sind. Er hat immer nur vom Volk und der Kirche im Allgemeinen gesprochen. Niemand wird einen Einwand erheben, wenn Mutter Theresa oder Papst Johannes XXIII. heilig gesprochen werden, aber nicht ein Militarist, der seine Giftgasangriffe verteidigt.
Was halten Sie von der wunderbaren Krampfadernheilung?
Gar nichts. Es wird ja auch behauptet, kaum war der kleine Karli auf der Welt, da wurde ihm prophezeit, dass er sicher Kaiser und die Hölle auf Erden erleiden wird. Dass eine Schwester von Krampfadern geheilt wird, nachdem sie auch mit einem Mittel behandelt wurde, das ist für mich lächerlich bis Blasphemie: Mich wundert’s nicht, dass die Menschen haufenweise aus der Kirche austreten.
Wie stehen Sie zur der Kaiser-Karl-Gebetsliga?
Wer ist denn deren Präsident? Bischof Kurt Krenn. [Bischof Krenn ist in Zusammenhang mit den Ereignissen am Priesterseminar von St. Pölten bekannt geworden; Anm. d. Red.] Das allein sagt schon, wo es hingeht. Das sind Leute, die nicht glauben, was Gott sagt, sondern was die frühere Kaiserin Zita sagte, wie sie ihren Mann verklärt hat: Er habe gebetet jeden Tag, womöglich auch den Rosenkranz. Diese Vereinigung besteht aus Leuten, die völlig unkritisch sind.
Vertreten Sie innerhalb der österreichischen Kirche eine Mehrheitsposition?
Das würde ich behaupten. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, die intelligenten Leute können nur lachen oder sie ärgern sich. Aber Leute in Führungspositionen, die Machteinfluss in Rom haben, die können solche unmöglichen Dinge einfädeln.
INTERVIEW: RALF LEONARD