Stühlerücken in Staatskanzlei

Ministerpräsident Steinbrück zieht die Notbremse und entlässt den glücklosen Staatskanzleichef Wolfram Kuschke. Die Opposition spricht von einer skandalösen „Missachtung des Parlaments“

VON ANDREAS WYPUTTA

Peer Steinbrück gibt sich konsequent: Drei Tage nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei den Kommunalwahlen hat Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsident Wolfram Kuschke als Leiter seiner Staatskanzlei abberufen. Nachfolgerin wird Angelika Marienfeld, bisher unter Kuschkes Führung Bevollmächtigte des Landes beim Bund und damit Chefin der Berliner NRW-Landesvertretung. Der aus Lünen stammende Sozialdemokrat bleibt der Staatskanzlei aber erhalten: Als Minister ist Kuschke weiter für Europa, Internationales und Medien zuständig.

Steinbrück lobte die 50-jährige Marienfeld prompt als „exzellente Verwaltungsexpertin“. Kuschke werde „entlastet“ und „in die Lage versetzt, für mich zentrale politische Aufgaben wahrzunehmen und sich verstärkt der politischen Koordination zwischen Düsseldorf, Berlin und Brüssel zu widmen“. Außerdem werde die Kabinettsumbildung „haushaltsneutral vollzogen“, so Ex-Finanzminister Steinbrück.

Für die Opposition dennoch eine Provokation – Kuschke gilt als Hauptverantwortlicher für die Staatskanzlei-Affäre vom Frühjahr: Wie die Landesregierung einräumen musste, hatten steuerfinanzierte Ministerialbeamte monatelang Wahlkampfkonzepte für die SPD erarbeitet. „Die Missachtung des Parlaments durch die Staatskanzlei ist skandalös“, schäumte gestern der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Helmut Stahl – vor dem Hauptausschuss des Landtags wollte kein Vertreter der Regierungszentrale zu der Kabinettsumbildung Stellung nehmen. Als einen „Akt personalpolitischer Verzweiflung“ bezeichnete FDP-Fraktionschef Ingo Wolff Steinbrücks Entscheidung – „mit Mühe“ versuche der Ministerpräsident, das Gesicht seines engen Vertrauten zu wahren: „Tatsächlich jedoch hat er dem Chef der Staatskanzlei das Vertrauen entzogen und ihn seines Amtes enthoben, weil dieser politisch gescheitert ist.“

Tatsächlich galt Kuschke auch in Koalitionskreisen seit längerem als völlig überlastet. Zwar sicherte der ehemalige Arnsberger Regierungspräsident nach der Regierungsübernahme Steinbrück zunächst parteiinterne Mehrheiten, doch wuchsen die Zweifel an Kuschkes Qualitäten schnell: Er sei nicht nur für die undichten Stellen der Regierungstzentrale verantwortlich, die die Staatskanzlei-Affäre auslösten, sondern auch bei „der Problemlösung innerhalb Rot-Grüns“ überfordert gewesen, ist in Düsseldorf zu hören. Kuschke teilt damit das Schicksal des ehemaligen Staatskanzlei-Shootingstars Miriam Meckel: Die von Ex-Ministerpräsident Clement in die Regierungszentrale geholte Professorin, offiziell für Medien zuständig, sei seit Monaten auf Tauchstation, kritisieren mittlerweile auch führende Koalitionäre – dabei fehle angesichts der TV-Operationen von Kölner Sendern gerade eine medienethische Diskussion: „Aber wir können Meckel ja nicht mit Mitte 30 in den einstweiligen Ruhestand schicken.“