: Trainer des Jahres
Die Staatsanwaltschaft findet im Haus des Leichtathletik-Trainers Thomas Springstein verbotene Dopingmittel
BERLIN taz ■ Stephan Vuckovic weilte bis gestern im Urlaub auf Ibiza. Als der Triathlet, der in Sydney überraschend Olympiasilber gewonnen hatte, am Mittwoch seinen Anrufbeantworter in der Heimat abrief, war er einigermaßen überrascht. So viele Anrufe hat er selten bekommen. Am nächsten Tag schlug er die Zeitung auf und wusste, warum sich am Vortag so viele Menschen für ihn interessiert hatten. Vuckovic hatte sich vor den Spielen 2000 von Thomas Springstein auf Olympia vorbereiten lassen und war plötzlich als Experte in der Causa Springstein gefragt.
Beim Trainer, der beim SC Magdeburg unter anderem die 400-m-Läuferin Grit Breuer und den 800-m-Läufer Nils Schumann betreut, war am Mittwoch bei einer Hausdurchsuchung das verbotene Dopingmittel Testosteron-Undecanoat gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft hatte die Haussuchung angeordnet, nachdem eine Anzeige des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) bei ihr eingegangen war. Danach habe es Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Springstein auch minderjährigen Sportlern regelmäßig Arzneimittel mit verbotenen Dopingsubstanzen verabreicht habe, um deren Leistungsfähigkeit zu steigern. Es geht also nicht allein um Leistungsmanipulation von Sportlern, Springstein hätte vielmehr eine veritable Straftat begangen. Nach Paragraf 95, Absatz 3 kann dafür eine Haftstrafe von bis zu 10 Jahren verhängt werden. Stephan Vuckovic bezeichnet die Meldungen als „Hammer“, kann sich aber nicht vorstellen, dass sein Ex-Coach so etwas getan haben soll. Mehr will er zunächst nicht sagen.
In der Tat haben es die Vorwürfe in sich. Auch wenn sie mit Springstein einen Trainer treffen, der es in Dopingangelegenheiten zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Anfang der Neunzigerjahre betreute er neben der damaligen Nachwuchshoffnung Grit Breuer auch Sprintweltmeisterin Katrin Krabbe. Im Urin der beiden wurden Spuren des Kälbermastmittels Clenbuterol nachgewiesen. Nur weil das wie ein Anabolikum wirkende Mittel damals noch nicht auf der Dopingliste stand, ging der Fall „nur“ als Medikamentenaffäre in die Leichtathletikgeschichte ein.
Springsteins Ruf war dennoch angekratzt. Er erlebte aber trotz seiner Vergangenheit eine damals kaum für möglich gehaltene Renaissance. Von 1998 bis Anfang 2003 arbeitet er als Honorartrainer beim DLV. Nachdem die deutsche 4x400-m-Staffel der Frauen bei der EM in München Gold und Grit Breuer über die Einzelstrecke Silber geholt hatte, wurde er mit dem Titel des „Trainer des Jahres“ ausgezeichnet. Jetzt scheint ihn die Vergangenheit wieder einzuholen.
Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung weilte Springstein zusammen mit Breuer, die auch seine Lebensgefährtin ist, im Urlaub in Griechenland. Sollte sich der gegen Springstein gehegte Verdacht bestätigen, muss er mit Konsequenzen auch seitens des DLV rechnen. Sein Verein, der SC Magdeburg, hat bereits gehandelt und den Trainer mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Der Verein spricht von einer „eindeutigen Beweislage“ und erwägt, auch rechtlich gegen Springstein vorzugehen.
ANDREAS RÜTTENAUER