: Vier gewinnt in Bremen
Mit Klose, Klasnic, Charisteas und Valdez siegt Werder in der Champions League 2:1 gegen Valencia, weil Thomas Schaaf die Konsequenz aus der schleichenden Selbstauflösung der Abwehr zieht
AUS BREMEN BENNO SCHIRRMEISTER
Der Wechsel verursacht ein Raunen: In der 61. Minute bringt Werder-Trainer Thomas Schaaf den Stürmer Angelo Charisteas und holt dafür die Nummer 27 vom Platz. Die trägt bei Bremen der 21-jährige Christian Schulz und der sagt nach dem Spiel, dass er sich nicht darüber gewundert habe, gegen den griechischen EM-Star eingetauscht zu werden. Denn: „Wen hätte er sonst bringen sollen?“ Tatsächlich sind bei Werder fünf Stammspieler verletzt, und verzichten musste Schaaf bei der Champions-League-Heimpremiere gegen den spanischen Meister CF Valencia auch auf Defensiv-Chef Valérien Ismaël: Der saß am Mittwoch die Sperre aus dem Match gegen Inter Mailand ab.
Erstaunen war dennoch angebracht: Christian Schulz gilt als talentiert, bodenständig und ehrgeizig zugleich. Eindeutig aber ist er: ein Verteidiger. Und Charisteas – ein Stürmer. Und Bremen war bereits mit Miroslav Klose, Ivan Klasnic und Nelson Valdez gestartet. Also spielten ab der 61. Minute vier Angreifer – und nominell schützen nur noch der – außerordentlich zuverlässige – Paul Stalteri und Frank Fahrenhorst das Tor von Andreas Reinke.
Das ist schon ein bisschen dreist, gegen eine Mannschaft, die seit Jahren auf höchstem Niveau spielt, in der vergangenen Saison die spanische Liga dominiert hat und auch aktuell die Tabelle der Primera División souverän anführt. Und mit Fragen, was er von der Kühnheit seines deutschen Pendants halte, kann man Gäste-Trainer Claudio Ranieri am späten Abend gründlich die Laune vermiesen: „Das ist mir völlig egal“, sagt er. „Ich will nur gewinnen“ und hebt die Pressekonferenz durch raschen Abgang auf. Denn klar ist: Gewonnen hat er nicht. 2:1 hieß es am Ende für Werder. Die Bremer Torschützen: Miroslav Klose (60. Minute) und Angelo Charisteas (68.Minute); beide Male hatte Valdez die Abwehr nach links gezogen, beide Male Klasnic trickreich abgelegt. Schaaf ist folgerichtig wesentlich aufgeräumter als Ranieri: „Von mir aus gibt kann er ruhig weiter turnen“, gibt er Klose die Lizenz zum Torjubel-Salto. Und resümiert genüsslich lapidar, dass er Recht behalten habe „mit der Behauptung, dass wir alle vier Stürmer benötigen“.
Bezweifelt werden darf, dass er sie ursprünglich so wörtlich gemeint hat, wie sie dann zur Ausführung kam: Die Deckung so weitgehend aufzulösen, dass war nur möglich, weil in der 55. Minute Valencias Verteidiger Carlos Marchena nach einem rüden Foul an Nelson Valdez die gelb-rote Karte erhielt.
Bitter für die Spanier: Die in der ersten Halbzeit von Schiedsrichter Michael Riley ausgesprochene Verwarnung war eine krasse Fehlentscheidung. Als er merkte, dass er im Valencia-Bollwerk auch in jener 33. Minute keine Lücke finden würde, hatte sich Ivan Klasnic schlicht fallen lassen. Wieder einmal, und wie nach ihm auch sein Kollege Johan Micoud, der kurz vor dem Halbzeitpfiff versucht einen Elfmeter zu schinden. Er stellt fest, dass sein Sturz nicht zum Strafstoß führen wird, windet er sich noch eine ganze Weile, wartet den Mannschaftsarzt ab, Sanitäter laufen mit einer Trage auf: Dann ist aber doch nichts gewesen. Aber es gibt eben auch kein Gelb für die Schwalbe im Strafraum. „Eine unterhaltsame Vorstellung“ hätten seine Spieler geboten, sagt Schaaf später.
Für seinen „mangelnden Ehrgeiz“ sei Valencia bitter bestraft worden, bewertet die spanische Sportzeitung El Marca gestern das Match: zu Recht. In der zweiten Minute bereits hatte Vicente das erste Tor geschossen. Völlig überrumpelt von der Attacke hatte die erstmals in dieser Besetzung antretende Bremer Abwehr nur zusehen können. Verunsichert, nervös und fahrig versuchte man sich ins Spiel zurückzukämpfen. Übermotiviert die Aktionen von Ludovic Magnin, ausgebrannt jene von Spielmacher Micoud: Fehlpässe, nur selten Vorstöße, die durchweg 20 Meter vor dem Tor versanden. Ballsicher, mit Traumpässen und rasanten Kontern hingegen die Spanier. Spätestens ab der 29. Minute hätte Marco di Vaio das 2:0 erzielen müssen: Freistehend vor dem leeren Tor köpft der italienische Stürmer übers Gehäuse. Unfassbar. In der zweiten Halbzeit setzte Ranieri jedoch auf Ergebnis-Verwaltung: Ob er die Kampfkraft der Bremer unterschätzt hat? „Es ist keine Schande, gegen Werder zu verlieren“, sagt er nach Abpfiff. „Das ist eine große Mannschaft.“