: Kalte Kooperation
Die Streit um das Kartellrecht bleibt spannend – vor allem für Holtzbrinck, wo „Tagesspiegel“ und „Berliner Zeitung“ kalt fusioniert werden sollen
von STEFFEN GRIMBERG
Eigentlich hätte die Debatte um die Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse am Montagnachmittag dieser Woche beendet sein sollen. Der Kanzler wollte mit seiner Festansprache zum 50. Geburtstag des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ein klares Signal senden: Er steht voll hinter dem Gesetzentwurf seines Wirtschaftsministers – und will ihn durchgewunken sehen.
„Dann sollte Schluss mit der Debatte in der Fraktion sein“, sagte der medienpolitische Sprecher der SPD, Jörg Tauss. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) nehme die Sache eben sehr persönlich. Doch der Kanzler sagte auf einmal Sätze wie: „Es ist vielen immer noch nicht klar, worum es geht“, und dass noch eine „Menge Überzeugungsarbeit entfaltet“ werden müsse (taz von Mittwoch). „Weit weniger als geplant“, so Tauss heute, „auch weniger als das, was die Reformgegner innerhalb unserer Fraktion erwartet hatten“ – und denen der Kanzler über den Mund zu fahren gedachte. Offenbar hatte es nicht nur Interventionen des grünen Koalitionspartners gegeben, der die geplante Liberalisierung der Pressefusionskontrolle immer kritischer sieht. Sie hatten sogar etwas genützt – ein deutliches Zeichen, wie heikel die Diskussion jetzt auch in der SPD selbst ist.
Clement (SPD) will die seit 1976 geltenden Kartellvorschriften für Zeitungen so verändern, dass Kooperationen und Fusionen künftig deutlich einfacher möglich sind. Unter bestimmten Voraussetzungen will Clement bis heute auch neue Verlagsmonopole zulassen. Jene besondere Altverlegerklausel hält mittlerweile sogar SPD-Berichterstatter Wirtschaftsausschuss, Hubertus Heil, für „tot“ – nachdem er kurz zuvor bei einer Bundestagsdebatte den Clement-Entwurf engagiert verteidigt hatte.
Doch jetzt droht die kleine Wiederauferstehung durch die Hintertür. Unter der Rubrik Verlagskooperationen wird derzeit an Regelungen für die künftige weitreichende Zusammenarbeit von Zeitungshäusern gebastelt. Und hier ist es interessant, mal zu fragen, was in diesen Tagen eigentlich Pierre Gerckens macht. Der Holtzbrinck-Manager und Beinahe-Besitzer des Berliner Tagesspiegel sollte im Herbst 2003 dafür sorgen, dass der Stuttgarter Medienkonzern doch noch an die Berliner Zeitung kommen konnte. Den Deal hatte das Kartellamt untersagt. Also wurde der Tagesspiegel ganz offiziell an Gerckens verkauft, der derweil von allen Holtzbrinck-Ämtern zurücktrat. Nutzte aber nichts: Gerckens sei kein unabhängiger Verleger, sondern eher das Missing Link zu Holtzbrinck, urteilte das Kartellamt. Durch dieses Zweitverbot wurde der Gerckens-Deal nichtig, der Manager hätte Berlin den Rücken kehren können. Er hat aber weiterhin ein Büro im Tagesspiegel-Verlagshaus an der Potsdamer Straße – und scheint sich für künftige Aufgaben bereit zu halten. „Wann immer hoher Besuch im Hause ist, sitzt er dabei und schwenkt die Brille“, sagt ein Tagesspiegel-Mitarbeiter. Zur jüngsten Anhörung im Bundestag erschein Gerckens zu einem Zeitpunkt, an dem es noch gar nicht um die Presse ging.
Für Kooperationen plädiert auch weiterhin Tagesspiegel-Geschäftsführer Joachim Meinhold, und wieder einmal zeigt man sich im Haus Holtzbrinck sehr zuversichtlich, dass man jetzt eben auf diese Weise durchkommt: Die Altverlegerklausel halte er für die bessere Lösung, so Konzernchef Stefan von Holtzbrinck bei der BDZV-Jubelfeier. Doch auch mit einer Kooperationslösung für die Verlagsseite von Tagesspiegel und Berliner Zeitung könne man leben.
Logisch – schließlich wäre dies beinahe eine kalte Fusion. Mit dem einzigen Schönheitsfehler, dass dann der Titel Berliner Zeitung immer noch nicht zu Holtzbrinck gehören dürfte.